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Wohin mit dem Ökogeld?

Hearing über Steuerkonzepte der Bündnisgrünen: Mineralölsteuer muß nicht sofort ansteigen, Chemie-Subventionen dürfen bleiben  ■ Aus Bonn Hermann Josef Tenhagen

Wenn die Grünen rufen, kommen heute auch Vertreter der Industrie. Noch gefällt ihnen nicht, was sie hören. Aber sie wollen mitreden. Arnold Willemsens vom Bundesverband der deutschen Industrie sah die Chemie- und die Autobranche untergehen, wenn auch nur eine Form der bündnisgrünen Steuerkonzepte Wirklichkeit würde. „Kein Unternehmer wird mehr in Deutschland investieren“, drohte der BDI-Mann. Aber er stand ziemlich allein da in der Bonner Universtät, wo am Fronleichnamstag die grünen Parlamentarier und Experten miteinander diskutiert haben.

Die Wirtschaftswissenschaftler, die geladen waren, haben schon lange keine Angst mehr vor Ökosteuern. „Die ökologische Krise zwingt zum Handeln“, sagte der Bremer Rudolf Hickel gleich zu Beginn des Hearings. Er schätzt den Umweltschaden auf einen monetären Wert von jährlich 610 Milliarden Mark.

Mehr noch als über solche Kosten wurde über die Einnahmen gestritten, die sich die Bündnisgrünen von einer Ökosteuer erhoffen. Sie wollen den Basispreis für Energie jährlich um sieben Prozent verteuern und zudem die Mineralölsteuer im ersten Jahr um 50 Pfennige und dann um jährlich dreißig Pfennige ansteigen lassen. In zehn Jahren würden damit schon über 250 Milliarden Mark jährlich in die Kasse des Finanzministers fließen.

Wohin damit? „Wenn man das ganze Geld im Ozean versenkt, werden die Menschen weniger kaufen. Wer ärmer wird, konsumiert weniger und schützt schon damit die Umwelt.“ So umschrieb Michael Kohlhaas, Steuer-Experte vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung, die dumpfeste aller Strategien. Er selbst focht noch einmal für sein Konzept gemischter Kompensationen: Die Sozialversicherungsbeiträge der Unternehmen könnten gesenkt und zugleich ein sogenannter Öko- Bonus angespart werden, der an alle Steuerzahlenden gleichermaßen ausgeschüttet wird. Wer zuviel Energie verbraucht, so hofft Kohlhaas auf die Einsicht der privaten Haushalte, bezahlt Steuern, die höher liegen als der Fondsanteil, wer spart, gewinnt bares Geld.

„In den Wirtschaftskreislauf“, sagt Kohlhaas, „wird damit eingegriffen“. Doch daran mögen selbst die Bündnisgrünen nicht so recht glauben. In ihrem Konzept, das sie in einem zwanzig Seiten starken Papier dargestellt haben, „verbleibt ein erheblicher Spielraum für die Senkung anderer Abgaben und zur Entlastung der VerbraucherInnen und Unternehmen“, wie die AutorInnen schrieben. Gleich im ersten Jahr der Reform könnten sieben Milliarden für den Umbau des Energiesystems ausgegeben werden, 20 Milliarden für die Verkehrswende, Geld für die Innovationsförderung gegen „das Schweigekartell der Ingenieure“ (Hickel), mehr Geld für vom ökologischen Strukturwandel betroffene Regionen. Umstritten ist dabei immer noch, ob sinkende Lohnnebenkosten tatsächlich Jobs schaffen. Den Grünen schwant: „Dem Staat fehlt es nicht an Geld, es fehlt an Konzepten.“

Auf eben diese Frage, nämlich wem denn, außer dem Umweltschutz, der Milliardentransfer zugute kommen soll, können sie noch keine positive Antwort gegeben. Umso mehr fällt auf, was sie gestrichen haben: Für den Süden und den Osten ist kein Geld mehr vorgesehen. Die jahrelang hochgehaltene internationale Klimapolitik oder Hilfen zum Umbau in Osteuropa sind in dem 20-Seiten-Papier nicht mehr erwähnt.

Taktische Erwägungen bestimmen die Debatte weit mehr. Kohlhaas traf den Nerv mit seiner Skepsis gegen die schnelle Erhöhung der Mineralölsteuer. Damit werde „die politische Durchsetzbarkeit von Umweltpolitik in einem Bereich erschöpft“. Programmautor Rainer Steenblock versicherte umgehend, darüber werde noch einmal geredet werden. Auch der mittelständische Kunststoffunternehmer Bernhard Weßling fand Gehör mit seiner Forderung, den bislang steuerbefreiten Verbrauch von Öl bei der Kunststoffherstellung doch bitte nicht mit Ökosteuern zu bestrafen. Steenblocks Antwort: „Das haben wir schon zurückgestellt“.

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