Im friedlichen Karzinom-Wettstreit am Strand

■ Sonnenstunden und Alkoholpreise sind für irische Urlauber das Glücksbarometer

Es kommt nur auf die Aussprache an: Wer nach dem Urlaub immer noch „Mallorca“ sagt, stammt vermutlich aus der Dubliner Arbeitslosensiedlung Ballymun. Der Bezirk Dublin 4 sagt „Majorca“, und ein echter Snob spricht, ohne mit der Wimper zu zucken, von „Machorka“. Genauso ist es mit Torremolinos: Nachdem die Journalistin Djinn Gallagher dort vor kurzem ihre Ferien verbracht hatte, mußte sie feststellen, daß ihre Bekannten den Ort als „Ballymun am Meer“ einstuften. Dabei zogen sie das „i“ hochnäsig in die Länge: „Torremoliinos“.

Die IrInnen sind ein Volk der Pauschalreisenden – falls sie sich überhaupt eine Reise leisten können. Und wenn wir schon bei Klischees sind: Sie öffnen die Schnapsflaschen, die sie zollfrei am Flughafen erstanden haben, gleich nach dem Abflug und applaudieren dem Flugkapitän nach gelungener Landung, als ob er gerade ein Kunststück vorgeführt hätte. Im Gegensatz zu den Deutschen ist es den IrInnen keineswegs unangenehm, im Urlaub auf Landsleute zu stoßen. Im Gegenteil, man kann abends in der Taverna mühelos das Rundensystem aus dem irischen Pub übernehmen und tagsüber gemeinsam zu Hummern mutieren. Djinn Gallagher nennt das den „Karzinom-Wettstreit“, weil die hellhäutigen IrInnen beim ersten Sonnenstrahl gleich eine ungesund rote Hautfarbe annehmen, ohne daraus eine Lehre zu ziehen.

Zwei Dinge gelten als Barometer für einen gelungenen Urlaub: die Alkoholpreise und die Zahl der Sonnenstunden. Waren erstere niedrig und letztere hoch, so war die Reise ein voller Erfolg – von dem freilich nichts Sichtbares übrigbleibt: Auch der schönste Rausch wird irgendwann zum Kater, und der Körper wirft die feuerrote äußere Hautschicht bald ab wie ein Reptil. Bleiben lediglich die Urlaubserlebnisse, doch am Strand passiert nicht viel, wenn man auf dem Bauch liegt.

Hat man das Hotel mit Deutschen geteilt, dann hat man wenigstens etwas zu erzählen: Sie sind in Irland und Großbritannien nämlich überaus berüchtigt, weil sie im Morgengrauen aufstehen und sämtliche Liegestühle am Swimmingpool mit Handtüchern für sich reklamieren. Eine bekannte Brauerei hat dieses Vorurteil zum Thema ihrer Fernsehwerbung gemacht. Darin schlägt der irische Biertrinker den handtuchbewaffneten Deutschen natürlich ein Schnippchen. Viel Heiterkeit erregen auch die Sandburgen – ein Ritual der Inbesitznahme, das IrInnen völlig unbegreiflich ist. „Sie hatten sogar den Namen ihrer Heimatstadt mit Muscheln auf die Sandburg geschrieben“, sagte ein Bekannter und schüttelte sich vor Lachen: „Wankendorf!“ Ohne die Bestätigung einiger Klischees würde der Sommerurlaub nur halb soviel Spaß machen. Ralf Sotschek, Dublin