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Weniger Unterwäsche

■ Vorm Verwaltungsgericht: Bremerhavener Kleidergeldkürzung für Stützeempfänger

Bremerhavens Magistrat will sparen. Das Sozialamt macht mit. Wir kürzen, rechnete das Sozialamt, das Bekleidungsgeld um 20 Prozent von 339 Mark im halben Jahr auf 270 Mark. Das macht pro Person im Jahr 138 Mark, mal 16.000 Stütze-Empfängern – bringt das 2,2 gesparte Millionen! Beschlossen wurde die gekürzte Bekleidungspauschale zum 1.10.1994. Es kamen 120 Widersprüche, alle wurden abgewiesen. Vier Personen erhoben Klage. Die Klagen von Andreas S. und seiner Mutter Helga S. wurden gestern vor der 3.Kammer des Bremer Verwaltungsgerichts verhandelt.

In den Bescheiden, die das Bremerhavener Sozialamt verschickt hatte, wurden die erstaunten KlientInnen davon unterrichtet, daß man zum einen in der Hafenstadt billiger einkaufe als in Bremen, wo die Pauschale nicht geändert wurde. Andererseits habe die hohe Arbeitslosigkeit dazu geführt, daß sich „hinsichtlich der Austattung mit Bekleidung der allemeine Lebenszuschnitt der hiesigen Bevölkerung abgesenkt“ hat. Meint: in Bremerhaven laufen inzwischen eh alle wie die Penner rum, was sollen da neue Klamotten?

Bei der Gerichtsverhandlung, zu der keiner der Kläger erschienen war, beschrieb ein Vertreter des Sozialamtes die Mühen seines Hauses bei der Suche nach Gerechtigkeit und Sparmöglichkeiten. Eigens war ein Mitarbeiter ausgerückt, der bei Karstadt, C&A und Adler Moden Preise recherchierte. Heraus kam ein textiler Warenkorb, der angeblich billiger war als ein vergleichbarer in Bremen.

Die Berechnungen des Sozialamtes waren der Punkt, auf den die von der Solidarischen Hilfe e.V. unterstützten KlägerInnen abzielten. Jedoch erst in der Verhandlung kam heraus, warum man sich in Wirklichkeit in Bremerhaven billiger kleidet. Ein aufmerksamer Richter hatte beim Aktenstudium entdeckt, daß sich die Preise der Textilien in Bremen und Bremerhaven fast gar nicht unterscheiden: einen Anzug kriegt man für 200.-, die Hose für 65, die Unterhose für 12 Mark. Der kleine Unterschied: Bremerhavens Sozialhilfebezieher müssen ihre Garderobe länger tragen! Darf man in Bremen schon nach vier Jahren zu einem neuen Wintermantel greifen (190 Mark), muß man in Fishtown ein Jahr länger warten. Hier kommt man auch mit zwei Pullovern drei Jahre aus – in Bremen mit drei Pullovern zwei Jahre. Sieben Unterhosen sollen hier wie da zwei Jahre reichen. Dafür bekommt man in Bremerhaven in derselben Zeit nur für vier Unterhemden Geld. (Bedenkt man, daß der Sozialhilfeempfänger sieben Mark monatlich für den Waschsalon hat, also für exakt eine Wäsche, kann er nur einmal pro Woche das müffelnde Unterhemd wechseln.)

Das Gericht, angewiesen darauf, nach Aktenlage zu verhandeln, beschränkte sich allerdings auf die Frage: „Kommt Bremerhaven seiner gesetzlichen Verpflichtung nach, den notwendigen Bekleidungsbedarf zu decken?“ Und da sieht es für die Kläger schwarz aus: Jeder kann nämlich statt der Pauschale auch, wenn er mit dem Geld nicht hinkommt, Einzelanträge stellen. Weil aber nach Sozialamtsangaben 99,9% der Leistungsempfänger auch nach der Kürzung die Pauschale haben wollen, sagt das Amt: Bitte schön, es geht ja.

Der Urteilsspruch wird in zwei Wochen erwartet. In Bremerhaven wird sich der allgemeine Lebenszuschnitt der Bevölkerung weiter absenken.

BuS

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