: „Das Flugfeld schwebt nicht in der Luft herum“
■ Kontroverse nach UN-Veto gegen Nato-Angriff auf Flughafen von Banja Luka
Zagreb/Sarajevo (AP) – Das Veto der Vereinten Nationen gegen einen Nato-Luftangriff in Bosnien hat gestern die Debatte über die Kommandostruktur der Friedensmission und die Rolle einer schnellen Eingreiftruppe neu entfacht. Der bosnische Ministerpräsident Haris Silajdžić bezeichnete das Ausbleiben eines Angriffs auf ein Flugfeld der bosnischen Serben bei Banja Luka als „Kapitulation der Vereinten Nationen in Bosnien-Herzegowina“.
Der UN-Sondergesandte Yasushi Akashi erklärte in Zagreb, der vom Nato-Hauptquartier in Neapel bereits am Dienstag geforderte Luftwaffeneinsatz wäre weder erforderlich noch rechtlich gedeckt gewesen. Der Nato-Kommandeur in Neapel, US-Admiral Leighton Smith, hatte die Forderung nach dem Einsatz erhoben, nachdem zwei Flugzeuge der bosnischen Serben dort von der Nato- Radarüberwachung erfaßt worden waren.
Akashi erklärte, die Resolution 816 des Sicherheitsrates lasse bei einem Verstoß gegen das UN- Flugverbot die Bekämpfung von in der Luft befindlichen Flugzeugen, nicht jedoch die Bombardierung von Bodenzielen zu. Daher habe der UN-Oberbefehlshaber im ehemaligen Jugoslawien, der französische General Bernard Janvier, gegen einen Nato-Einsatz sein Veto eingelegt.
In Nato-Kreisen wurde die rechtliche Bewertung durch Akashi in Zweifel gezogen. Frühere Einsätze, auch gegen Bodenziele, seien durch andere UN-Resolutionen sehr wohl gedeckt gewesen, hieß es. Die Erfahrung habe überdies gezeigt, daß Flugzeuge der bosnischen Serben das Flugverbot verletzten, um ihrerseits Bodenziele angreifen zu können.
Janvier wiederum sandte nach Angaben des UN-Sprechers Alexander Iwanko in Sarajevo ein Schreiben an die Nato, dessen Ton in der Allianz aufhorchen ließ. Iwanko zitierte aus dem Schreiben, in dem ebenfalls auf die Resolution 816 verwiesen wird: „Wie Sie sicherlich wissen, schwebt das Flugfeld von Banja Lunka nicht in der Luft herum, sondern es befindet sich auf festem Boden.“ Außerdem wurde in UN-Kreisen verbreitet, Admiral Smith habe mit seiner Forderung nach einem Angriff wohl eine Gelegenheit gesucht, sich für den Abschuß des US- Kampfflugzeuges F-16 Anfang Juni an bosnischen Serben zu rächen. Der Abschuß war in der Nähe von Banja Luka erfolgt. Der Pilot der Maschine, Scott O'Grady, hatte in einer riskanten Rettungsaktion eine Woche später geborgen werden müssen.
Die Kämpfe in Bosnien gingen im Nordwesten des Landes und nördlich von Sarajevo weiter. In der bosnischen Hauptstadt schlug gestern nachmittag erneut ein Geschoß in eine Menschenmenge ein, die an einer Verteilungsstelle auf Wasser warteten. Ersten Berichten zufolge gab es mindestens zwei Tote und viele Verletzte.
UN-Sprecher Gary Coward teilte in Sarajevo mit, die bosnische Regierungsarmee habe am Mittwoch eine Niederlage in der muslimischen Nordwestregion Bihać erlitten. Abtrünnige Muslime unter Führung von Fikret Abdić hätten im Norden des Gebiets den Ort Vrnograc erobert. In Split landeten weitere 490 französische Soldaten der Schnellen Eingreiftruppe mit 207 Fahrzugen. Weitere 1.800 Mann werden laut UN in den kommenden Tagen erwartet. Die Truppe aus Franzosen, Briten und Niederländern soll bis zu 12.500 Mann umfassen.
Der bosnische Serbenführer Radovan Karadžić bekannte unterdessen, daß die Festsetzung von 370 UN-Soldaten als Reaktion auf die Nato-Luftangriffe vom 25. und 26. Mai auf Munitionsdepots bei Pale ein Fehler gewesen sei. Karadžić sagte dem britischen Rundfunksender BBC am Mittwoch, ein Fehler habe den anderen nach sich gezogen. Er fügte hinzu, er habe persönlich die Verantwortung für die Geiselnahme übernommen.
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