: Schröder eingemauert
Große Koalition gegen einen Konsens über die Atomenergie: Die Bonner Parteiengespräche über die Energiepolitik sind gescheitert ■ Von Niklaus Hablützel
Berlin (taz) – Die Frage läßt ihn nur die Achseln zucken. „Was weiß ich, wie es weitergeht“, sagte Gerhard Schröder gestern auf dem Weg zur Routinesitzung der Ministerpräsidentenkonferenz in Berlin, „alles wie bisher eben.“ Rudolf Scharpings Konkurrent um die Führung der SPD ist wieder nur Ministerpräsident des Landes Niedersachsen. Sein ehrgeizigstes Projekt, die Bonner Parteiengespräche über die Energiepolitik Deutschlands, sind am Mittwoch endgültig gescheitert.
„In der Frage der Kernenergie haben wir festgestellt, daß die Standpunkte unvereinbar sind“, sagt Schröder schlicht, aber nicht ganz zutreffend. Er selbst hatte ein Papier vorgelegt, das der Forderung der Regierung nach einer sogenannten Option für den Bau neuer Atomreaktoren sehr weit entgegenkam. Schröder wollte auch diese Frage „weiter vertiefen“, wie er sich am Dienstag in Bonn auf einem öffentlichen Veranstaltung der SPD-Bundestagsfraktion ausdrückte.
Dazu war die SPD nicht bereit. Auf demselben Bonner Forum hatte Parteichef Scharping die Grenze weit enger gezogen. „Wir wollen den Ausstieg“, rief er den Rivalen aus Hanover öffentlich zur Ordnung, es habe keinen Sinn, den Konsens über die weitere Nutzung der Kernenergie zu suchen.
Der SPD-Delegation für die Mittwochsrunde gehörten neben Schröder auch Saarlands Ministerpräsident Lafontaine, Baden- Württembergs Umweltminister Schäfer und der umweltpolitische Sprecher der Bundestagsfraktion, Müller, an. In dem Verhandlungspapier, auf das sie sich vorab geeinigt hatte, blieb von Schröders Angebot nur ein einziger Satz übrig, der den Regierungsparteien kaum eine Chance zur Annahme ließ. Er lautet: „Ungeachtet der weiterbestehenden grundsätzlichen Auffassungsunterschiede zur zukünftigen Nutzung der Kernenergie soll auch die Frage des Erhalts der Fähigkeit zur Errichtung eines neuen KKW- Typs untersucht werden.“
Davon rückte die SPD-Delegation auch in einer kurzen Verhandlungspause nicht mehr ab. FDP- Wirtschaftsminister Rexrodt kommentierte: „Mit Herrn Schröder wären wir heute klargekommen. Mit dem Herrn Lafontaine und dem Herrn Schäfer und dem Herrn Müller sind wir nicht klargekommen.“ Auch Schröder gab zu, daß es „keinen Sinn macht, Arbeitsgruppen einzusetzen, wenn schon vorher festgelegt wird, wie das Ergebnis aussehen soll“. Er selbst sei jedoch nicht als Privatperson in die Verhandlungen gegangen, sondern als Vertreter seiner Partei, ließ er den Deutschlandfunk wissen, und für einen Kompromiß in der Atomfrage sei die Zeit wohl nicht reif.
Über die Förderung regenerativer Energien, wie auch über die Kohlesubventionen müsse auf Bundes- und Landesebene weiter gesprochen werden. Konsensgespräche seien dazu nicht erforderlich, meint Schröder. Harald Schäfer, dessen Landesregierung vor dem Bundesverfassungsgericht für den weiteren Betrieb des Atomkraftwerks Obrigheim streitet, freute sich, daß die SPD wieder zu ihrem Kurs gefunden habe: „Wir sollten ganz klar sagen, die CDU will neue Atomkraftwerke, wir wollen keine.“ Wer eine andere Position vertrete, müsse auf dem Parteitag im November „eine Mehrheit finden“.
Gescheitert ist damit nicht nur Schröders Versuch, den Betrieb der heutigen Atomkraftwerke in Deutschland zu befristen – die Regierung war nur bereit, sogenannte Restlaufzeiten zu vereinbaren, wenn die Option für neue Reaktoren offen bleibe. Auch Schröders Verhandlungen über zusätzliche Lagerstätten für hochradioaktive Abfälle dürften kaum noch Erfolgschancen haben. Noch am selben Abend wiesen Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber und Bundesumweltministerin Angela Merkel solche Vorschläge weit von sich. Das Lager von Gorleben, das in Schröders Bundesland Niedersachsen liegt, sei aufnahmebereit, sagte Merkel, und „dort gibt es noch sehr viel Platz“.
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