: Was kümmert uns der Rest der Welt?
■ Protestaktionen gegen die Atomtests im Südpazifik / Demonstrationen in Paris
Paris (taz) – „Warum sind die Franzosen bekloppt?“ titelte ein Leser seinen Protest an die Sydney Morning Herald. Seit Frankreichs Staatspräsident Jacques Chirac vor knapp zwei Wochen beschlossen hat, die Atomtests im Pazifik wiederaufzunehmen, grassiert auf dem fünften Kontinent der Franzosenhaß. Nach den Protesten von Privatleuten und Gewerkschaften entdeckte auch die konservative Opposition die Spengkraft des Atomthemas.
Die Labour-Regierung versuchte ihren Protest zunächst auf Botschaftereinbestellung und das Einfrieren der militärischen Zusammenarbeit zu beschränken. Doch nachdem auch ein außerordentlicher Besuch von Außenminister Gareth Evans in Paris kein Ergebnis brachte, entschied sie sich gestern für eine härtere Gangart und rief ihren Botschafter Alan Brown aus Frankreich zurück.
Australien, das gegenwärtig den Vorsitz im Südpazifik-Forum hat, ist mit seiner wütenden Opposition gegen die acht Atomtests, die Frankreich zwischen dem kommenden September und Mai abhalten will, nicht allein. Die 15 Mitglieder des regionalen Staatenbundes haben bereits beschlossen, die nächsten Pazifikspiele, die in (Französisch-) Polynesien stattfinden sollen, zu boykottieren. Neuseelands Regierung hat ihre Beziehungen zu Paris stark reduziert. Und der japanische Ministerpräsident Tomiichi Murayama forderte Chirac bei seinem Parisbesuch Anfang dieser Woche energisch auf, die Atomtests zu unterlassen.
Frankreichs Regierung beeindruckt das alles nicht besonders. Nach dem Motto: „Was schert uns der Rest der Welt“, hält sie an ihren acht Tests fest.
Im Anschluß an die Versuche werde Frankreich den definitiven Atomteststopp unterzeichnen, hatte Chirac versprochen. Einzige Begründung für die Wiederaufnahme der Tests ist das „einhellige Urteil der Experten“. Tatsächlich ist es in Frankreich unmöglich, Wissenschaftler zu finden, die sich kritisch mit der Nutzung der Kernspaltung auseinandersetzen. Das „einheitliche Denken“ ist in dieser Branche total, wie der einstige Mitterrand-Berater Jacques Attali in einem soeben veröffentlichten Atom-Bericht für die UNO schreibt.
Auf der Straße allerdings beginnt sich auch in Frankreich eine Opposition gegen die Force de Frappe zu formieren. Am Dienstag abend fand in Paris eine mit über 10.000 Menschen erstaunlich große Demonstration gegen die Atomtests statt. Und für den 1. Juli bereiten sie einen internationalen Protesttag vor. „Wenn es so ungefährlich ist, soll Chirac seine Bombe doch in der Correze (seiner politischen Heimatregion, d. Red.) testen“, empfahlen polynesische, neuseeländische und oppositionelle französische Demonstranten. Dorothea Hahn
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen