: Rot-Grün in den letzten Zügen
■ Koalitionsverhandlungen in NRW überraschend auf heute vertagt / Scharfer Poker um Garzweiler II
Bonn/Düsseldorf (taz) – Der Nervenkrieg um den rot-grünen Pakt in Nordrhein-Westfalen hält an. Entgegen allen Erwartungen wurden die Verhandlungen gestern nachmittag nach kurzer Zeit auf heute vertagt. In der 24köpfigen Verhandlungsrunde herrschte nach Angaben aus Teilnehmerkreisen die „völlige Ratlosigkeit“. Mittags noch hatte Ministerpräsident Johannes Rau die Hoffnung geäußert, es werde bis zum Ende des Tages wohl „ein sinnvolles, auf faire Partnerschaft beruhendes Regierungsprogramm“ zustande kommen. Doch dann bescherte der neu aufgeflammte Streit um das Braunkohletagebauprojekt Garzweiler II den Delegationen die wohl bisher schwerste Krise.
Der Streit enzündete sich an einer Frage: Welches Ministerium soll die Zuständigkeit für das Projekt Garzweiler II bekommen? Nachdem Rau den Grünen in der Nacht bedeutet hatte, für den Vollzug von Garzweiler II müsse der künftige SPD-Wirtschaftsminister zuständig sein, brach bei den Garzweiler-Gegnern zunächst die Krise aus. Ein grünes Umweltministerium ohne „Vollzugskompetenz“ für den schriftlich fixierten Kompromiß sei undenkbar, hieß es aus grünen Verhandlungskreisen.
In dem Koalitionspapier akzeptieren die Grünen vom Grundsatz her die Genehmigung von Garzweiler II und sichern gleichzeitig den Fortgang des Planungsprozesses nach Recht und Gesetz zu. Doch der gestern nachmittag noch nicht im vollen Wortlaut bekannte Text läßt beiden Seiten bewußt viel Raum für Interpretationen. Während Rau von einer „Verständigung“ sprach, „die die Rechtskraft der Genehmigung und das Projekt nicht gefährdet“, interpretieren die Grünen die Einigung als den „Anfang vom Ende“ für Garzweiler II. Dabei setzen sie vor allem auf die „Zeitschiene“. So soll der anstehende Rahmenbetriebsplan „umfassend“ geprüft und der Ausgang der anhängigen verfassungsrechtlichen Klagen gegen das Projekt in die Prüfung mit einbezogen werden. Das dauert bis mindestens 1998. Doch dafür will die SPD ihnen – entgegen früheren Zusicherungen – die Zuständigkeit verwehren.
Für Garzweiler II ohne Abstriche demonstrierten gestern etwa 400 Beschäftige des Betreibers Rheinbraun. In Gesprächen mit Gewerkschaftern und Unternehmensvertretern hatte die SPD die angestrebten Vereinbarungen abzusichern versucht. Durch die Koalitionsvereinbarung, so hatte SPD-Fraktionschef und Kohle- Lobbyist Matthiesen das Papier interpretiert, ändere sich „an der Realisierung des Projekts nichts“. Das genaue Gegenteil wollen die Grünen. Walter Jakobs
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