piwik no script img

Vom Abhotten und anderen Gay-Pride-Demonstrationen Von Klaudia Brunst

„Laß uns endlich mal wieder ausgehen“, moserte neulich meine Freundin und hielt mir den diesjährigen Christopher-Street-Day- Fahrplan vor die Nase. „Also zu dieser Lesben-Separatisten-Demo gehe ich aber nicht!“, klärte ich vorsorglich die Fronten. – „Ich meine so richtig ausgehen!“, verdrehte meine Freundin die Augen, „so mit tanzen und allem!“

Ich muß zugeben, daß ich es nicht hatte verstehen wollen. Berliner Gay-Parties fangen nie vor halb zwei richtig an, und dann steht man da bis vier rum – und weiß ja doch schon, mit wem man nach Hause geht. „Nur weil du nicht tanzt!“, knatschte meine Freundin, bis ich endlich einwilligte, am Samstag zur CSD-Eröffnung in die Kulturbrauerei zu gehen. „Aber nur, wenn wir nicht auch noch zu dieser Demo müssen!“

Damit ich auch keinesfalls kneifen würde, hatte meine Freundin am letzten Samstag listigerweise meine Nachbarin zum Rommé eingeladen und ein gigantisches Tiramisu mit einer Extraportion Espresso gemacht. Zwangsläufig war ich um Mitternacht noch hellwach. „Du solltest dir etwas anderes anziehen“, flüsterte mir meine weltgewandte Nachbarin diskret zu, als meine Freundin gegen Mitternacht die Tiramisureste in die Küche brachte, „die Zeiten haben sich in den letzten sieben Jahren etwas geändert“. Mit meinen Cowboystiefeln und dem Jeanshemd, so meine Nachbarin, würde ich mich bei den Girlies garantiert sofort als thirtysomething outen. „Ich bin aber doch thirtysomething“, meinte ich pikiert. „Muß das gleich jede merken?“, konterte meine Nachbarin und kramte unseren Kleiderschrank nach einem geeigneten T-Shirt durch. „Hier“, meinte sie und schmiß mir etwas zu, „das ist dir garantiert zu klein, das spannt schön über der Brust.“ Als ich mich standhaft weigerte, den alten Frotteeschlafanzug meiner Freundin auch nur probehalber anzuziehen, bestand meine Nachbarin („Ich will doch nur dein Bestes!“) wenigstens auf angemessen jugendlichem Schuhwerk. Zähneknirschend zwängte ich mich in meine schafswollgefütterten Panama-Jack's. „Knobelbecher oder Doc Martens wären natürlich besser, aber das läßt sich jetzt nicht mehr ändern.“

In der Kulturbrauerei war die Party schon in vollem Gange. „Ich gehe nicht eher wieder weg, bis ich einmal so richtig abgehottet habe“, verkündete meine Freundin und drückte mir ihre Jeansjacke in die Hand. Allerdings war sie erstaunlich schnell von der Tanzfläche zurück. „Auf dieses Techno-Gestampfe kann man gar nicht richtig tanzen“, moserte sie, „aber ich gehe nicht eher ...“ – „... bis du einmal richtig abgehottet hast, ich weiß“, komplettierte ich und fragte mich, was wohl passieren würde, wenn die DJ-Frau ihre musikalischen Vorlieben den ganzen Abend nicht ändern würde.

Gegen halb vier hatte meine Freundin ihr Ziel immer noch nicht erreicht, und ich beschloß etwas nachzuhelfen. Mit einem Fünfzigmarkschein arbeitete ich mich zum DJ-Tisch vor. „Versteh' schon“, meinte die Frau, bevor ich irgend etwas sagen konnte, „du willst endlich nach Hause, und Deine Freundin will noch mal richtig abhotten.“ Sie steckte sich das Geld in den Ausschnitt, trat ans Mikro und bellte in den Saal: „Hallo Oldies, gleich habt ihr es geschafft. Ich spiel jetzt ,I am, what I am', und dann ab ins Bett!“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen