: Anders als die Rolling Stones Verlierer
■ Trotz altbewährtem Fluchen und Urschreien hat die Zeit auf das in die Jahre gekommene einstige Weltklasse-Doppel Ken Flach/Robert Seguso nicht gewartet
Wimbledon (taz) – Ein bißchen wirken Ken Flach und Robert Seguso wie die Rolling Stones. Nicht ganz so lange im Geschäft und nicht ganz so alt, aber Tennisjahre zählen ja bekanntlich wie Hundejahre – eine Erkenntnis, die wir Boris Becker verdanken. Flach/Seguso, das war Ende der 80er Jahre ein nahezu unschlagbares Tennisdoppel. Als eine Art Pat und Patachon des Popzeitalters zogen die beiden US-Amerikaner hinaus, gewannen 1985 die US Open, 1987/88 Wimbledon und waren lange Zeit die unangefochtene Nummer eins der Doppel-Weltrangliste. In Deutschland wurden sie vor allem durch das hitzige Daviscup-Match 1987 in Hartford, Connecticut, berühmt, wo sie sich als fanatische Fähnchenschwenker hervortaten und nach der Niederlage ihr Hotelzimmer in seine Einzelteile zerlegten.
1991 erreichten Flach/Seguso noch einmal das Finale der US Open, dann gingen sie auseinander, und Seguso zog sich ins Eheleben mit der kanadischen Tennisspielerin Carling Bassett zurück. In Wimbledon 1995 waren sie, ausgestattet mit einer Wildcard, plötzlich wieder da, und siehe, sie hatten sich, wie die Rolling Stones eben, kaum verändert. Ken Flach ist mit seinem ausgeprägten Nackenspoiler nach wie vor der einzige Tennisspieler, der aussieht wie ein Fußballer von Hansa Rostock, der glubschäugige Robert Seguso scheint fast schlanker als früher und trägt ein neckisches Pferdeschwänzchen, das er mit Sicherheit nicht von Mary Pierce abgeschaut hat. Wenn er mit hängenden Schultern über den Platz schlurft, wirkt er fast wie ein zu groß geratener Neil Young.
Die alten Fertigkeiten wollten sich jedoch nicht recht einstellen. Vor allem bei den Aufschlagspielen versagte die bewährte Zeichensprache, so daß sie häufig aufgescheucht durcheinanderliefen, die Volleys flogen selten an den angepeilten Ort, und vor allem Robert Segusos Mangel an Spielpraxis wurde deutlich. Ein, zwei leichtere Matches hätten sie vermutlich gebraucht, um in Form zu kommen, doch zu ihrem Unglück trafen sie in der ersten Runde gleich auf die australischen Titelverteidiger Mark Woodforde und Todd Woodbridge.
Gegen die „Woodies“ mit ihrem soliden, fast fehlerfreien Spiel hatten Flach/Seguso keine Chance, verloren die ersten Sätze mit 4:6, 0:6 und konnten erst im dritten einigermaßen mithalten. Da warfen sie wieder voller Wut die Schläger auf den Boden, spornten sich an, fluchten herzhaft, wie sie es von McEnroe gelernt hatten und stießen ihre Urschreie aus.
Die Australier bewiesen indes wenig Sinn für Nostalgie. Mitleidlos holten sie gegen Flachs Aufschlag das Break zum 6:5, und wenig später beendete Robert Seguso mit einem mißratenen Return und einem schlechten Volley den kurzen Wimbledon-Auftritt der alten Meister, der, anders als bei den Rolling Stones, wohl endgültig ihr letzter bleiben wird. Matti Lieske
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