: Polizei hat keinen Jerry Cotton
■ Die Zehlendorfer Geiselnahme ist exakt einem Jerry-Cotton-Roman entnommen / Manfred Kölzer, Krimi-Betreuer beim Bastei-Lübbe-Verlag, hat allerdings ein gutes Alibi
taz: In Zehlendorf erpressen Gangster fünf Millionen Mark, düpieren die Polizei und verschwinden durch einen Tunnel mit der Beute. Merkwürdige Parallele: Im Jerry-Cotton-Roman Nr. 1580 mit dem Titel „Die Geisel und die Millionengangster“ gibt es einen ähnlichen Fall.
Manfred Kölzer: Ja, allerdings spielt die Geschichte natürlich in New York. Da haben sich die Gangster auch einen Tunnel gegraben, von dem das FBI natürlich nichts weiß, als die Gangster die Bank überfallen, ausrauben und die Geiseln nehmen. Dann läuft das auch so ab, daß die Gangster einen Fluchtwagen anfahren lassen, aber dann durch den Tunnel verschwinden. Aber damit hört dann wirklich der Vergleich auf.
Sind die Täter von dem Roman inspiriert worden?
Nein, bestimmt nicht. Die erste Auflage des Romans ist im September 1987 erschienen. Allerdings hat es jetzt im Mai eine zweite Auflage gegeben. Also, ich glaube, daß sich an die Erstauflage von 1987 keiner mehr erinnern kann. Und vom Mai bis heute, da hat die Zeit sicherlich nicht gereicht, um den Tunnel zu graben.
Wenn die Gangster von Zehlendorf über die Zweitauflage vom Mai gestolpert sind, werden sie ja möglicherweise eher erschreckt gewesen sein.
Vielleicht. Insbesondere über den Schluß. Denn der Jerry Cotton macht die Banditen am Ende dingfest. Das ist ja der Riesenunterschied zur Berliner Geschichte.
Werden die Polizisten bei der Geiselnahme genauso genarrt wie in Berlin?
Die Polizei vor der Tür wird schon etwas genasführt. Der Unterschied besteht darin, daß der Jerry Cotton schon verhältnismäßig schnell am Tatort ist, nachdem der Überfall gemeldet wird. Es gelingt ihm auch, in die Bank hineinzukommen. Er wird dann zwar niedergeschlagen und gefesselt, aber er ist dadurch immer dabei.
Also die New Yorker Polizei ist insgesamt auch nicht cleverer als die in Berlin?
So ist es. Ich will die Polizei da allerdings nicht in die Pfanne hauen, weil der Trick doch schon ziemlich pfiffig ist.
Was kann die Polizei von Jerry Cotton lernen, um die Banditen dingfest zu machen?
Der ist natürlich unser Superheld. Es gelingt ihm, nachdem er aus der Bewußtlosigkeit erwacht, trotz seiner Fesselung einem Gangster mit einer Beinschere die Luft abzudrücken. Mit Hilfe einer Geisel kann Cotton sich dann befreien. Dadurch bleibt er am Ball. Er saust hinter den Gangstern her in den Tunnel und verhindert noch eine Flugzeugentführung.
Haben die Berliner Gangster aus dem Roman gelernt?
Das hoffe ich nicht. Das können die auch woanders herhaben. Wir nehmen ja Stoffe, die aus der Wirklichkeit kommen. Unsere Autoren sind keine Kreativen in dem Sinne, daß wir Verbrechen erfinden. Das brauchen sie nicht, für Stories sorgen die aktuellen Ereignisse und die Zeitungen schon genügend. Das verarbeiten wir nur.
Hat die Polizei schon angerufen?
Nein. Aber ich könnte denen auch keinen Rat geben. Denn einen Jerry Cotton haben die ja nicht.
Haben Sie ein Alibi für Dienstag?
Au ja. Am Dienstag war ich hier in Köln bei einem Konzert.
Uns kommt verdächtig vor, daß sie den Roman noch so gut im Kopf haben ...
Nee, nee, ich hab ein bombensicheres Alibi. Ich habe die Geschichte gestern nur noch einmal nachgelesen, als ich von der Geiselnahme in Berlin hörte.
Wohin geht der nächste Urlaub?
Nach Australien. Interview: Gerd Nowakowski
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