piwik no script img

Wenn damals nicht der Reich-Ranicki ...

■ ... die Treppe der Kunsthalle runtergekommen wäre. Der Manholt-Verlag des Bremer Verlegers Dirk Hemjeoltmanns/ taz-Reihe „Bremer Buchlese“ (15)

Wie wird man frankophil? Zum Beispiel so: Man sitzt als 15-jähriger Bub in einem Restaurant brav mit den Eltern am Tisch. Da stürmt eine Horde Franzosen die Lokalität, okkupiert die Atmosphäre und beginnt zu lärmen und zu schlemmen, daß sich die Eltern pikiert abwenden. Doch dem Buben gehen die Augen über und über: Das ist Frankreich – „das ganz ganz andere“. Die Frankreich-Faszination trägt bis heute: Dirk Hemjeoltmanns – dessen Namen man schüttelt und siebt, bis „Manholt“ rauskommt –ist der Bremer Verleger französischsprachiger Literatur mit dem guten Namen in der Szene. Sein Manholt-Verlag hat in diesem Jahr zehnten Geburtstag.

Leicht war das damals nicht für einen wie Hemjeoltmanns: Lehrer. Jahrgang '45. Aus Braunschweig. Kannte keinen. Stammte nicht „aus dem Urschleim der Verlagswelt“ wie z.B. der Wagenbach. Hatte nur dies Frankophile. War eines Tages einfach nicht mehr zur Schule gegangen. War stattdessen nach Paris gezogen. Hatte einen deutschen Verleger französischer Literatur kennengelernt. War direkt angesteckt. Machte ein Buch. Francois Masperot, „Das Lächeln der Katze“. Herrje, was wäre aus dem Verlag geworden (nichts!), hätte Hemjeoltmanns nicht damals auf der Treppe der Kunsthalle den Reich-Ranicki getroffen, Feuilletonchef der FAZ, und ihm das Buch aufgedrängt. „Er hat's mitgenommen! Von da an war der Verlag was!“ Genauer: von dem Tag an, als die Rezension in der FAZ stand. Ab da galt: Manholt = klein & fein & sauber übersetzt, auch bibliophil.

24 Quadratmeter in einem knarzenden, alten Bürohaus in der Rembertistraße: Das ist der ganze Verlag. Bremen ein Zufall wie vieles in seinem Leben. Da hatte es zur Gründungszeit der Uni mal reichlich Promotionsstipendien gegeben. Außerdem hatte der Vater in Bremen als Kaffeeschmecker gearbeitet. Auch so ein Beruf. Gerade eben („Vor einer halben Stunde“) hat der Verleger sein neuestes Buch fertiggestellt. „Da ist es drin,“ sagt er und deutet auf seinen PC: Emanuel Bove, „Ein Außenseiter“. Manholts dritter Bove-Roman, ein kafkaeskes Ding von 1939. Manholt möppelt verhunzt übersetzte Klassiker auf, entdeckt für den deutschen Markt oft noch unbekannte Klassisch-Moderne und auch mal Junge, von denen man nicht leben kann. Verdienstvoll: die Herausgabe der Sprachgenies Georges Perec . Renner: „Nanon“ von George Sand und Joris-Karl Huysmans „Gegen den Strich“. Daß sich Hemjeoltmanns nicht dumm und dämlich an Sand und Huysmans verdiente, lag an seiner Unbedarftheit, was das Geschäftliche anging: Bei „Nanon“ hatte er die Taschenbuchrechte zu früh an dtv verkauft, der die Taschenbuchausgabe in den Markt schoß, als Manholts bibliophile gerade ein Erfolg wurde. Pech. Nicht Pech, sondern „Schweinerei“ war, war dem Huysmans zustieß: Diogenes hatte eine alte Mistübersetzung, die, als sich der Manholt-Erfolg abzeichnete, nachgedruckt wurde und für 12 statt 40 Mark in die Regale kam – „der Todesstoß“.

Da muß man durch. Und immer weiter dran glauben: Qualität setzt sich durch. Man braucht, heißt es in der Branche, 200 gute Buchhandlungen. Davon kann eine kleine Klitsche leben. Manholt hat 300, in allen größeren Städten bis herab zu Gemeinwesen wie Aschaffenburg. Und man braucht den Namen. Also Rezensionen. Zwanzig Zeilen in der ZEIT. Den Kritiker der SZ auf der Buchmesse treffen. Gewisse wichtige Buchhändler mit schönen Büchern erfreuen. Künstlerisch wertvoller Einband. Fadenheftung. „Für 10.000 Mark Faden“ hat Hemjeoltmanns in seinen Büchern untergebracht. Das muß sein. Da fängt „das Bibliophile“ an. Das spricht sich rum. Kenner schlagen ein Buch auf und suchen den Faden. Zuallererst.

Aber: Gut muß die Übersetzung sein. Eine schlechte Übersetzung kann ein Buch aus einer Gattung in eine andere schieben. Aus einem Adoleszenzroman von Proustscher Potenz wird dann Kinderliteratur. Oder auch Jules Renards „Poil de Carotte“: In Deutschland kannte man das als „Rotfuchs“, ein Kinderbuch, nach dem Rowohlt seine ganze Reihe benannte. In der Manholt-Übersetzung („Muttersohn“) wird (wieder) ein psychologisch hochsubtiles Mutter-Sohn-Drama daraus. Im besten Fall leistet der Verleger da Pionierarbeit.

Dankt es irgendwer? „Man wird mit Meriten überhäuft, aber materiell ist das Kamikaze,“ sagt Hemjeoltmanns. Eigentlich läßt er immer noch viel zu teuer in Österreich drucken, statt den Auftrag nach Prag in die Billigdruckereien zu geben. Hach ja! So ganz zeitgemäß ist ja auch nicht mehr, daß er die Bücher extern setzen läßt, wo er schon einen Computer hat. Und das Interesse an französischer Literatur befinde sich „in freiem Fall – Frankreich, das ist kein Faszinosum mehr.“ Lange nicht mehr das „ganz ganz andere“.

Doch eigenartig: Sorgenvoll wirkt der Hemjeoltmanns nicht. Eher behaglich, wie er da sitzt in seiner Nische. Zwischen seinen fünfzig Titeln. Der frankophile Braunschweiger. Burkhard Straßmann

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen