: „Schindlers Liste“ aus den Charts verdrängt
■ Gespräch mit David Monaghan, einem der drei Filmemacher von „Executions“, der zur Zeit an einem Film über „Erhängen“ arbeitet, über Intention und Schockwirkung des Videos
taz: Herr Monaghan, der Anlaß für Ihren Film war, wie Sie sagen, eine Umfrage vom letzten Jahr, in der sich 76 Prozent der Briten für die Wiedereinführung der Todesstrafe aussprechen.
David Monaghan: Wir waren über diese Zahl sehr erschrocken. Diese Leute haben nie in ihrem Leben gesehen, wie so eine Exekution vor sich geht und was der historische Hintergrund ist. Auch neue Erkenntnisse über den Holocaust, die nicht mehr nach dem Warum, sondern nach dem Wie fragen, haben uns beeinflußt. Mein persönlicher Hintergrund als Australier ist auch die Wut darüber, ewig über die eigene Schuld an den Aborigines, dem einzigen „gelungenen“ Genozid dieses Jahrhunderts, im unklaren gelassen worden zu sein. Der Punkt ist folgender: Mit der anonymen, angeblich so sauberen und humanen Übernahme von Exekutionen durch den Staat wird die persönliche Verantwortung des einzelnen außer Kraft gesetzt. „Und wer von euch ohne Sünde ist ...“ gilt da nicht mehr. Dagegen wollten wir angehen.
Ist „Executions“ von beiden Seiten benutzbar, also von der Splatterfilm-Gemeinde wie von Menschenrechtsgruppen?
Ich hatte mal einen Freund, der kam aus China zurück und hatte ein Bild vom Vorsitzenden Mao mitgebracht, das er als Wichsvorlage benutzte. Ich meine, die Menschen tun die bizarrsten Dinge. Wenn man uns als Journalisten dafür verantwortlich machen wollte ... Ich habe Snuff-Movies aus Amerika gesehen, in denen Leuten zu einem Heavy-Metal-Soundtrack wieder und wieder in slow motion der Kopf abgeschlagen wird. Ich kenne die harten Sachen; wer so was sucht, kann mit „Executions“ nichts anfangen. Der wichtigste Zensurfall in diesem Land war „Lady Chatterly's Lover“; die gehobenen Kreise durften es lesen, aber als es in Paperback herauskam, so daß die Massen es auch hätten lesen können, da wurde es verboten. So ist es in unserem Fall auch. Die gehobenen Klassen können ins Holocaust-Museum oder in die Bibliothek, aber wenn die Massen an diese Informationen wollen, ist es plötzlich schädlich ...
Wenn die Massen so mündig sind, wie Sie hoffen, wozu bedarf es dann dieser optischen Keulen?
Ach was, Keulen! 21 Exekutionen in 55 Minuten, und sie machen nur neun Minuten des Films aus. Da gibt es ganze Fünf-Minuten-Sequenzen, in denen Leute nur erklären, wie alles funktioniert, einer mit seinem Vater spricht, Erklärungen über die Philosophie von Exekutionen. Natürlich ist es überwältigend, zu hören, daß die Tragödie des 20. Jahrhunderts die Tatsache ist, daß 26 Millionen Menschen, also mehr als im Ersten Weltkrieg, durch Exekutionen ums Leben gekommen sind. Kein Film hat bisher einen solch umfassenden Blick auf dieses Thema ermöglicht. Darin ist er ähnlich wie „Shoah“ oder „Schindlers Liste“. Letzterer zeigt viel schockierendere Exekutionen als wir, die wir inzwischen Spielbergs Film aus den Charts verdrängt haben. Man hat in England selten versucht, ein Geschichtswerk zu verbieten, es sei denn, es ging um Spionage. Wir wollten gerade Video, weil das britische Fernsehen, allen voran die BBC, eine lange Tradition in der Unterdrückung von historischem Material hat. Die BBC hat sich lange geweigert, Aufnahmen aus Bergen-Belsen zu zeigen.
Sie behaupten, amnesty international zensiere Ihre Arbeit ...
Sie haben von uns verlangt, ihnen die Kontrolle über unsere Arbeit zu geben, und als wir uns weigerten, haben sie Archive bedrängt, uns kein Material mehr zur Verfügung zu stellen. So was kann einen Journalisten ruinieren!
Reuter's und das Imperial War Museum haben uns gesagt, Sie seien dort als „amnesty-Project“ aufgetreten, und wegen dieser falschen Angaben arbeiteten sie nicht mehr mit Ihnen ...
Der Punkt ist doch der: amnesty behauptet, das Thema „Todesstrafe“ sei kompliziert. Das ist doch Quatsch. Es gibt da nur ein Ja oder Nein.
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