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Das Schweigen der Schwäne

■ Großkoalitionäre verändern Vogelschutz-Anmeldung bei EU / BUND: „Äußerst blöde“

Die Bremer Piepmätze müssen sich umorientieren. Morgen will der Senat über die veränderte Anmeldung von Vogelschutzgebieten bei der Europäischen Union beraten. Und was er da abstimmen soll, das ist eine ziemlich veränderte Fassung, verglichen mit der heftig umstrittenen Anmeldung durch das Umweltressort vor drei Jahren. Eine ganze Reihe von Flächen sollen aus der Altanmeldung herausgenommen werden, schlägt das neugebildete Ressort für Frauen, Gesundheit, Jugend, Soziales und Umweltschutz unter Senatorin Tine Wischer (SPD) vor. In dessen neuester Senatsvorlage nicht mehr vertreten: Niedervieland III, die Ochtumniederung Grolland-Huchting, eine Fläche in Brokhuchting (wg. Wohnungsbau), die heiß umkämpfte Binnendeichfläche der Hemelinger Marsch, der Oberneulander Außendeich südlich der Eisenbahnlinie, Grünlandflächen an der Lesum und der Bereich der Ortserweiterung Strom. Kommentar von Heinrich Müller vom BUND: „Das ist äußerst blöd. Ohne großen Widerstand wird das nicht gehen.“

Mit dem Senatsbeschluß will die Große Koalition die leidige Piepmatz-Affäre ad acta legen. Der Streit um die heimliche Anmeldung der Vogelschutzgebiete durch den ehemaligen Umweltstaatsrat Uwe Lahl bei der EU hatte zum Mißtrauensvotum gegen den Umweltsenator Ralf Fücks und am Ende zum Bruch der Ampel-Koalition und zu vorgezogenen Bürgerschaftswahlen geführt. Schon Ende Juni, kurz vor Bildung des SPD-CDU-Senats, hatte das Thema auf der Tagesordnung der Landesregierung gestanden. Da hatte schon die Mehrheit des gerade-noch-Senats auf die jetzt vorgeschlagene Veränderung der Altanmeldung gedrungen, war aber am Widerstand des gerade-noch grünen Umweltressorts gestoßen. Vor allem das Gebiet Niedervieland III wollte Umweltstaatsrat Manfred Morgenstern als Vogelschutzgebiet behalten. Resultat: Die Entscheidung wurde auf die Zeit mit der neuen Regierung vertagt.

Die VogelexpertInnen des Ressorts hatten nach dem politischen Großkrach noch einmal bei allen angemeldeten Gebieten nachgucken müssen, ob dort tatsächlich die Vögel sind. Denn alleine darauf kommt es bei der EU an: Sind die Vögel da, ist das Gebiet auch zu schützen. Und sie hatten einiges gefunden, auch im Niedervieland. In der Juni-Vorlage war das gesamte Niedervieland noch als wichtiges Nahrungsgebiet für Weißstörche und „überregional bedeutsames Brutgebiet von Blaukehlchen und Tüpfelrallen sowie bedeutendes Überwinterungsgebiet von Sing- und Zwergschwänen sowie einigen tausend Wasservögeln“ eingestuft worden. Niedervieland III war ohnehin schon in der Vergangenheit umkämpft: Umweltschützer wollten die Fläche zum Naturschutzgebiet machen, Wirtschaftsförderer zum Gewerbegebiet, der Kompromiß lag bei landwirtschaftlichen Nutzungsflächen.

Doch alle Vöglein fliegen hoch, kaum ist die Große Koalition an der Macht: In der neuen Vorlage ist Niedervieland III draußen, genauso wie der Bereich der Ortserweiterung Strom und eine für Wohnungsbau vorgesehene Fläche in Brokhuchting. Jetzt heißt es: „Diese Flächen zählen nicht zu den „geeignetsten“ im Sinne der Richtlinie.“ Die anderen Veränderungen in der Anmeldung werden meist damit begründet, die fraglichen Flächen seien nur als „Pufferzonen“ der eigentlichen Schutzflächen angemeldet worden, erfüllten aber faktisch nicht die Bestimmungen der EU-Vogelschutzrichtlinie.

„Sehr bedauerlich“, findet das Heinrich Müller vom BUND. „Aber man mußte ja damit rechnen, daß es mit der Großen Koalition Rückschläge geben wird.“ J.G.

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