piwik no script img

Betrügerische Pyramiden

■ Ein Finanzwirt, der Geldanleger um zwölf Millionen Mark betrogen haben soll, stellt sich selbst als Opfer dar

Im blütenweißen Hemd sitzt Rainer S. auf der Anklagebank. Der 39jährige Angeklagte ist an Luxus gewöhnt: Er fuhr im Rolls Royce durch die Gegend, luxuriöse „Schulungsreisen“ führten ihn nach Florida, Kenia oder Sri Lanka, auf seinen Privatkonten hatte er drei Millionen Mark.

Diesen Lebenswandel führte der Angeklagte auf Kosten von Kunden, die er laut Anklage mit Hilfe von angeblich lukrativen Geldanlagen um insgesamt zwölf Millionen Mark betrogen haben soll. In 65 Fällen soll der ehemalige Direktionsmanager des Allgemeinen Wirtschaftsdienstes (AWD) Gewinnrenditen bis zu einhundert Prozent versprochen haben. In den meisten Fällen bekamen die Anleger keine müde Mark zurück. Die Geschäfte hatte der Angeklagte ohne Wissen seiner Firma während seiner Arbeitszeit betrieben. Ihm wurde gekündigt.

Überraschenderweise waren die Besucherbänke im Gerichtssaal leer. Die Wachtmeister, die eigens für eventuelle Tumulte Geschädigter bestellt worden waren, hatten allein gegen die Hitze zu kämpfen. Der Finanzwirt, der seit Dezember letzten Jahres in U-Haft sitzt, versuchte dem Gericht weißzumachen, angesichts der überaus breiten Produktpalette des AWD sei er sich bei den Geldanlagen über sein unrechtmäßiges Handeln nicht im klaren gewesen. Mit Schulungen, Büchern über „positives Denken“, Leitbildern wie „finanzielles Endziel“ eines Leben in Luxus sei er schließlich vom AWD „massivst“ motiviert worden, Pyramiden aufzubauen. Allerdings hat er die Gelder der Anleger ausschließlich auf sein Privatkonto überwiesen.

Der Angeklagte will die angeblich lukrativen Geldanlagen von einem Wiesbadener Dienstleistungsunternehmen angeboten bekommen haben. Angeblich sollte es sich um sogenannte SCL-Geschäfte („Standby Letters of Credit“) handeln. Diese Kapitalanlagen sind nach Auffassung der Staatsanwaltschaft fragwürdig. Mit den Beträgen der Kunden soll Rainer S. private Verbindlichkeiten bis hin zu privaten Bewag-Rechnungen beglichen haben. Fast fünf Millionen Mark soll er in ein Darlehensgeschäft in Miami gesteckt, für eine halbe Million einen Rolls Royce gekauft haben. Mit einem Teil der Gelder soll er anderen Kunden ihre Anlagesummen plus Rendite zurückgezahlt haben.

Rainer S. habe wohl gewußt, so die Anklage, daß sein Verhalten in keinster Weise kaufmännischen Grundsätzen entsprochen habe. Ihm wird jedoch zugute gehalten, daß er nie die Absicht gehabt habe, seine Mandanten zu betrügen.

Rainer S. versuchte gestern das Gericht davon zu überzeugen, daß er selbst eigentlich ein Opfer sei. Im Zusammenhang mit einem anderen Betrugsverfahren fühle er sich ständig bedroht. Er sei entführt worden, jemand soll versucht haben ihn zu erpressen.

Der Prozeß steht in Zusammenhang mit einem Verfahren, das sich gegen den ehemaligen Sponsor des Berliner Eishockey-Clubs EHC Eisbären richtet. Der in Untersuchungshaft sitzende Verdächtige soll seit 1992 mehrere hundert Kreditnehmer in Berlin und Ostdeutschland um möglicherweise bis 100 Millionen Mark geprellt haben. Der jetzt beschuldigte Finanzmanager soll einer seiner Mittelsmänner gewesen sein. Barbara Bollwahn

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen