piwik no script img

Ungelöste Probleme -betr.: "Umzug für Abschiebeknast geplant", taz vom 11.7.1995

Betr.: “Umzug für Abschiebeknast geplant“, taz v.11.7.

Die Berichterstattung über die Initiative des neuen Innensenators Borttscheller zur Verlegung des Abschiebeknasts von der Ostertorwache in die JVA Blockland ist mangelhaft. Unkritisch folgte die taz der Version Borttschellers, daß bereits mit der Verlegung das richterlich bestätigte Problem der menschenunwürdigen Abschiebehaft in Bremen gelöst würde. Neben dieser Darstellung fragte die taz anscheinend lediglich Justiz-Staatsrat Göbel. Allein dessen Ausführungen hätten schon aufmerken lassen müssen: Führte er doch an, daß die Abschiebehaft nicht im Justiz-Ressort unterzubringen sei, u.a. auf Grund der „beengten Verhältnisse“. Da drängt sich doch die Frage auf, was sich an den „beengten Verhältnissen“ ändert, wenn der Raum in Amtshilfe der Polizei zur Verfügung gestellt wird?

Die taz hätte daraufhin recherchieren müssen, warum denn die Diskussion um die Verlegung nach Blockland in der letzten Legislaturperiode abgebrochen und der schon für den 24. Mai '95 in der Bürgerschaft angesetzte Termin abgesetzt wurde. Natürlich spielen die Finanzen eine Rolle: Wenn sich nämlich positiv nichts ändert, dann lohnen die Ausgaben nicht und sind in der Kaserne Vahr für eine dauerhafte Lösung besser investiert.

Wäre die taz dem nachgegangen, hätte sie auch auf einen der Polizisten stoßen können, die nach einem Ortsbesichtigungstermin zu dem Schluß kamen, daß schlichtweg eine Verschlechterung droht: So stehen dort nur 18 Mini-Einzelzellen zur Verfügung; das läßt Isolationshaft befürchten. Dann ist auch nicht ausreichend Platz für Besuchs-, Anwalts-, Telefonzimmer der Häftlinge und Diensträume bzw. Toiletten des Personals. Desweiteren ist nicht geplant, mehr BeamtInnen einzusetzen. Eingestandenermaßen ist es allerdings schon jetzt aus Personalknappheit nicht möglich, den Häftlingen ihre Rechte in vollem Umfang zu gewähren. Bei der ansonsten unabdingbaren Trennung von Abschiebehaft und Polizeigewahrsam muß das Personal jedoch aufgeteilt werden, was dann also weitere Einschränkungen von Rechten der Sträflinge zur Folge hat.

Schließlich zur abgelegenen Lage: Weil keine Busverbindung besteht, ist fraglich, wie Besucher, die kein Auto besitzen, ins Blockland kommen. Der weite Weg ist z.B. auch für die Familie unzumutbar, die einem Häftling täglich das Mittagessen bringt. Offen ist weiterhin, wie verfahren wird angesichts des von Justiz-Seite vorgebrachten Bedenkens, wie wohl Häftlinge im regulären Vollzug reagieren, wenn sie fast täglich Abschiebungen zu sehen bekommen, die ihnen vielleicht auch drohen.

Alles Probleme, die noch längst nicht gelöst sind. Insofern ist es voreilig, von einem absehbar menschenwürdigeren Umgang mit Abschiebehäftlingen in Bremen zu sprechen. Positiv festzuhalten ist aber in der Tat, daß Herr Borttscheller anscheinend mehr für die Abschiebehaft übrig hat als nur Schulterzucken.

Für die Asylgruppe Ostertor:

Ralf Terner

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen