: Alpenglühen auf Kupferblech
■ „Kunstpreis Ökologie“ der AEG
Aus Erfahrung gut: damit assoziiert man einen Haushaltgerätehersteller. Mit Kunstausstellungen hat er naturgemäß keine große Erfahrung. Deshalb macht er das auch nicht so gut. Dabei hatte AEG eine wirklich gute Idee, die zwangsläufig zu dieser Erfahrung führen sollte. Seit 1989, jetzt in zweijährigem Rhythmus, bestimmt die Nürnberger Firma eine hochrangige Fachjury, die aus den Einsendungen deutscher, österreichischer und Schweizer Kunsthochschulstudenten drei Preise und drei Sonderpreise ermittelt und eine Wanderausstellung zusammenstellt. Der anvisierten Generation gemäß als „Kunstpreis Ökologie“ ausgeschrieben; aus firmenphilosophischer Sicht sozusagen das kulturelle Pendant zum Sparwaschgang. Die Juryauswahl 1994 ist derzeit in Berlin zu sehen und zeigt sich dabei als präsentationstechnisch lieblos hingeschustert. Das haben die vorgestellten Arbeiten nicht verdient – denn sie sind sehenswert.
Ökologie und Kunst, ist das – jenseits des Zeitgeists – ein zwingender Zusammenhang? Man reagiert skeptisch, aber im Rahmen neokonzeptioneller Kunst zeigt sich, nicht Anklage, sondern Beobachtung, nicht Vorwurf, sondern Beschreibung, nicht moralisierender Aktionismus, sondern unangestrengter Witz und überraschende Anschaulichkeit kennzeichnen die ausgestellen 20 Arbeiten. Jens Geelhaar, erster Preis, bestückt ein Metallregal mit Archivkisten aus der Unibibliothek Heidelberg, die dort zur Lagerung von Dissertationen verwendet wurden. In einigen Kartons versteckt er Lautsprecher, aus denen in Flüsterlautstärke Zitate von Wissenschaftlern dringen, die im Laufe der letzten Jahrtausende unser Weltbild drastisch verändert haben. So subtil den BetrachterInnen hier die Verführung wie die Verfehlung entgegenwispert, so deutlich setzt Andeas Welzenbach, zweiter Preis, auf die Holzhammermethode. Das darf man wörtlich verstehen, denn in seinen drei Holzskulpturen „Kleine Katastrophen“ bilden ein Auto, ein Zug und ein Flugzeug je das Endstück eines Hebels; wird der in Bewegung gesetzt, stürzt das Flugzeug auf das Haus, fährt das Auto in ein anderes und stößt der Zug auf ein Hindernis. Seine Holzarbeiten erinnern ein bißchen an Balkenhol, sind aber witziger als der je sein könnte. Karsten Greve, dritter Preis, malt so schaurig unauffällige Szenen mit Acryl auf Holz wie die vom Anstreicher, der mit der Malerrolle freie Natur auf die weiße Wand rollt. Annette Wesseling ordnet abgebrochene Vierkanthölzer zu einem giftgrün fluoreszierenden Feld, während „Alpenglühen“ von Birgit Krämer eine romantische Miniatur ist: In einem kleinen Brennofen, werden Kupferblechkegel auf 1.000 Grad Celsius erhitzt, dabei zersetzen sie sich und simulieren in schönster Postkartenästhetik ein Bergpanorama im Abendlicht. Susanne Krampens solarbetriebener Zinkwannenbrunnen ist dagegen nicht in Betrieb und steht herum, als ob er auf die Abfuhr sperriger Güter warte. Auch Robert Hutters interaktive Videoinstallation leidet darunter, daß sich offensichtlich niemand um die Ausstellung kümmert, und bleibt unverständlich. Kerstin Rotermund, Sonderpreis, hat den Vorteil, daß sie als Berlinerin den Aufbau ihrer Installation „Kronjuwelen. Arbeiten verkäuflich, Preis nach Vereinbarung“ betreuen konnte. Auf zwei Videomonitoren (die ihr bei der Ausstellungsstation Saarbrücken von AEG nicht geliefert wurden, so daß ihre Arbeit die meiste Zeit tot war) zeigen Crashtests, in denen sich das ultimative Konsumobjekt der Männergesellschaft zu ästhetischen Plastiken verformt. Schrottstücke aus dem Autorecycling sind schließlich in Spiegelkästen kostbar wie Kronjuwelen präsentiert; um sie zu betrachten, muß man sich tief verbeugen. Diese Gemeinheit hat Klasse. Die Gemeinheit, daß auch noch eine 50-Jahre- CDU-PR-Aktion eine Woche lang den Ausstellungsraum mitbelegte (wohl im Einverständnis mit der AEG), allerdings nicht. Man kann sich dem komplexen Begriff Ökologie durchaus mit „Rücksichtnahme“ annähern. Das versteht die Industrie nach wie vor kaum. Brigitte Werneburg
Bis 23. 7., tägl. 10 bis 18 Uhr, Ausstellungszentrum Alexanderplatz
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