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Die Algen müssen Fahrstuhl fahren

■ Ungetrübte Freude in Hamburgs Badeseen / Dafür immer mehr Müll am Ufer Von Marco Carini

Jeden Sommer der gleiche Kampf. Bitte nicht umkippen, lautet die Devise. Um Badeverbote zu verhindern, müssen Hamburgs 13 Badeseen mit großem Aufwand gehegt und gepflegt werden. Sommersonne und Badegäste nehmen den allesamt im Osten Hamburgs beheimateten Seen schnell den Lebens-Atem. Doch die Gegenmaßnahmen sind erfolgreich: In diesem Jahr war der Badespaß in allen Gewässern bislang ungetrübt.

Alle zwei Wochen werden an allen Badegewässern mikrobiologische, physikalische und chemische Untersuchungen durchgeführt. Die Hamburger Badewasserverordnung und eine EG-Richtlinie legen fest, in welcher Konzentration Schadstoffe und Kleinstlebewesen im Wasser vorhanden sein dürfen, wie hoch der ph-Wert sein darf und wie weit man durchs Wasser blicken können muß.

Probleme gibt es immer wieder mit der Algenschwemme und dem Bakterien-Boom. Wird einer der zulässigen Grenzwerte überschritten, wird eine Woche später eine Nachprobe gezogen. Kommt die zu dem gleichen Ergebnis, folgt ein Badeverbot.

Damit es dazu gar nicht erst kommt, führt die Umweltbehörde an einigen Seen „ökotechnische Restaurierungsmaßnahmen“ durch. Beispiel Eichbaumsee: Der mit einer viertel Million Badegästen pro Sommer wohl beliebteste Hamburger See wird seit fünf Jahren künstlich belüftet und alle zwei Tage komplett umgewälzt.

Wertvoller Nebeneffekt der Unterwasser-Luftbrause: Die Algen werden durch die Wasserbewegung am Wachstum gehindert. Da sie permanent „Fahrstuhl fahren“ müssen, werden sie ständig in Wassertiefen befördert, in denen für sie keine optimalen Vermehrungsbedingungen existieren.

Per „Bio-Manipulation“ werden zudem künstliche Öko-Gleichgewichte ausbalanciert. So wurden im Eichbaumsee in den vergangenen Jahren wiederholt Hechte ausgesetzt, die – permanent auf Beutefang – eine Vermehrung wasserflohverspeisender Weißfische verhindern sollen. Die so geretteten Wasserflöhe können sich deshalb in aller Ruhe störende Planktonalgen einverleiben und die Algenblüte eindämmen.

Für die meisten Umweltprobleme an den 13 Hamburger Badeseen ist aber die Spezies Mensch verantworlich. Statt ihren Verpackungsmüll wieder mit nach Hause zu nehmen, stopfen viele Badegäste die seenahen Abfallbehälter zu oder lassen ihren Müll gleich im Gebüsch verschwinden.

1 000 Kubikmeter Abfall mußten im vergangenen Jahr allein an den Seen im Raum Bergedorf von der Stadtreinigung eingesammelt und entsorgt werden. Im Wasser landende Speisereste und Urin treiben den Nährstoffgehalt der Gewässer in die Höhe und fördern so die Algenausbreitung. Ein weiteres Problem: Mitgebrachte Hunde, die als Schwimmnachbar nicht jeden Badegast erfreuen und zudem ihre Geschäfte gern da verrichten, wo Kinder spielen.

Insgesamt flossen in die „Sanierung“ der Badeseen und der Sommerbäder in Altengamme, Farmsen und Volksdorf in den neunziger Jahren mehr als 1,1 Millionen Mark. Denn für die Umweltbehörde ist der Erhalt der Badequalität „praktizierter Umweltschutz“. Können die HamburgerInnen sich in „ihren“ Baggerseen erfrischen, müssen sie nicht mehr im Auto Richtung Nordsee dieseln. Frei nach dem Motto: Wenn ich den See seh, brauch ich kein Meer mehr.

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