„Koloss“ jagt „Roter Oktober“ (Teil III)

■ Die erste Übernahme-Schlacht in der russischen Geschichte ist entschieden

Moskau (taz) – Ein wenig standen beide Beteiligte als Verlierer da, als in der Nacht vom Dienstag zum Mittwoch der erste Versuch eines öffentlichen Übernahme- Angebots in Rußland scheiterte. Dem ex-sowjetischen Tiefkühl-Giganten „Koloss“ ist es nicht gelungen, die Aktienmehrheit der traditionsreichen Moskauer Konfektfabrik „Roter Oktober“ zu erwerben. Dem potentiellen Aufkäufer lagen am Dienstag früh vermutlich Angebote für 20 Prozent der Oktober-Aktien vor, während er 51 Prozent angestrebt hatte. Und das, obwohl der Koloss sein Angebot von 7,50 auf 9,50 Dollar pro Oktober- Aktie gesteigert hatte. Deren Preis auf dem offenen Markt hatte zu Anfang bei 5,70 Dollar gelegen. Der für den 25. Juli angesetzte Stichtag des Angebots wurde danach nicht mehr verschoben.

Konfekt und Schokolade der Oktober-Fabrik waren in der Sowjetunion legendär. Jetzt kämpft die Traditionsfirma mit veralteten Anlagen und der Konkurrenz von Mars und Snickers. Das Kapital von Koloss und der dahinter stehenden Bankengruppe Menatep hätte das Unternehmen modernisieren sollen. Die Firmenleitung der Süßwarenfabrik erklärte sich nun bereit, zum 1. August zwei Vertreter von Menatep in ihren sechzehnköpfigen Aufsichtsrat aufzunehmen. Obwohl dieser Stimmenanteil keineswegs entscheidend ist, übte sich Menatep- Repräsentant Jewgenij Torkanowski in der Kunst des Gesichtwahrens: „Dies ist keine Niederlage“, sagte er: „sondern ein Kompromiß“. Das Abkommen zwischen den Firmen sieht vor, mit Hilfe eines weiteren Investors, den sie gemeinsam auftun wollen, 1995 eine große neue Konfektfabrik vor den Toren Moskaus, in Kolomna, zu bauen.

Der Firmenleitung des „Roten Oktober“ paßte die feindliche Übernahme überhaupt nicht. Die Fabrik ist zwar veraltet, sie bringt aber schon in diesem Zustand für Ex-Kombinate fantastische 24 Millionen Dollar Jahresgewinn und nimmt eine ganze Flußinsel in der Moskwa, direkt gegenüber des Kreml-Ufers ein – der Immobilien- Wert ist unschätzbar.

Mit Gewalt stürzte sich die Direktion in die psychologische Kriegsführung um die eigene Belegschaft, der ein ansehnlicher Teil der Aktien gehört. Die MitarbeiterInnen wurden vor Entlassungen im Falle der Übergabe des Werkes an neue Herren gewarnt. Außerdem versprachen ihnen ihre Vorgesetzten materielle Kompensationen für den Nichtverkauf von dem Tage an, an dem ein Außenseiter über 40 Prozent der Firmenaktien erwerbe. Dazu ist es wohl kaum gekommen. Ein Sprecher der Moskauer Makler-Firma Uni Trust erklärte dies aus der Mentalität der russischen ArbeiterInnen beim Umgang mit Aktien: „Sie sind gewöhnlich zuerst begeistert, wenn du ihnen einen höheren Preis als üblich bietest. Aber dann folgern sie gleich daraus, daß es eigentlich noch bessere Angebote geben müßte.“ Barbara Kerneck