piwik no script img

„Sind doch nur Lästlinge“

■ Myriaden von Fruchtfliegen sind wieder unter uns – na und, sagen Hygieniker.

Es ist Juli. Sie trinken ein Glas Wein, stellen es ab, wollen noch einen Schluck nehmen – schwimmen drei Fruchtfliegen drin. Es ist Juli, Sie gehen ins Bad, wollen duschen – kommen Ihnen zwei Fruchtfliegen entgegen. Und so weiter. Selbst eine hitzeschlappe taz-Morgenkonferenz wird beim Thema Fruchtfliege munter. Mehrere Personen versichern hoch und heilig, sie ließen nichts Frisches mehr offen herumliegen, hätten Obst und Gemüse in den Kühlschrank gesperrt, erschlügen täglich an die 15 Fruchtfliegen – und träfen trotzdem täglich auf neue. Wie nur kriegt man diese Zweiflügler wieder los?

Wir fragen nach bei einer Bremer Schädlingsbekämpfungsfirma: „Bei Fruchtfliegen leiten wir prinzipiell keine Schädlingsbekämpfungsmaßnahme ein“, sagt die Dame dort lapidar, „es gibt ja auch gar keine Kontaktstoffe, um die Fruchtfliegen anzulocken und zu vernichten.“ Gibt es vielleicht einen abschreckenden Duft? Naja, bei was die Fruchtfliege die Fliege macht, da dreht auch der Mensch ab. Einziges Gegenmittel also, laut Schädlingsbekämpfungsfirma: angegammeltes Obst wegschmeißen.

Haben wir doch längst, schimpfen die fruchtfliegenverfolgten taz-KollegInnen. Nun ja, vielleicht nicht jeden Fruchtsafttropfen aufgewischt. „Aber der taugt nicht zur Eiablage“, sagt Dorothea Brückner von der Bremer Forschungsstelle für Bienenkunde. „Die Maden brauchen schon ein richtiges Sub-strat, in dem sie kriechen können, das muß dauerhaft feucht und breiig sein – deshalb kocht man den Tieren im Labor richtig nach Rezept ihren Brei, zum Beispiel mit Zucker und Haferflocken“.

Im Labor? Jaaa, Fruchtfliegen sind das Lieblingsobjekt der GenetikerInnen. Fruchtfliegenchromosomen kann man ganz prima manipulieren. Die Stubenfliege, so die Biologin Brückner, läßt sich im Labor zwar auch gut halten, aber die frißt stinkiges Fleisch. „Und man hat im Labor eben gern ein Tier, das auch für den Menschen verträgliche Dinge liebt.“ Eben wegen dieses Vegetarismus ist die Fruchtfliege auch nicht gefährlich für Menschen: In Obst sind keine Krankheitserreger, sagt Brückner. Die Fruchtfliege ist deshalb im Biologen-Jargon kein Schädling, sondern nur ein Lästling.

Ein Lästling, das reicht doch, schimpft ein pingeliger taz-Kollege. Wo nur kommt dieses verdammte Flugteil her? Alle Küchenoberflächen sind doch schon obstfrei! „Von nichts kommt nichts“, sagt da ganz trocken Reinhard Holländer vom Bremer Landesuntersuchungsamt für Chemie, Hygiene und Veterinärmedizin. Die Fruchtfliegen, vielmehr ihre Eier, werden nämlich schon mit dem frischen Obst und Gemüse gekauft. Kühlschranklagerung kann ihnen nichts anhaben. Einmal verarbeitet landen die Reste des Obstes und Gemüses dann in der Biotonne. Und die ist der Geburtsort für unzählige Fruchtfliegen: Zwei, drei Tage reichen den Zöglingen, sich zu gestandenen Fruchtliegen zu entwickeln. Wer solange seinen Bioeimer nicht leert, hat die Bescherung, sprich den Schwarm, in der Küche. Eben wegen dieses unheimlich schnellen Generationszyklus sei die Fruchtfliege ja so beliebt bei GenetikerInnen, sagt Holländer.

Für Hausfrauen und Hausmänner heißt das: Den Küchen-Bioeimer täglich leeren. Holländer: „Dann haben Sie das Problem nämlich nur in der braunen Biotonne und nicht in der Bude.“ Daß die Fruchtfliegen vielleicht übers Fenster wieder in die Wohnung zurückschwirren, damit müsse man leben, meint der abgebrühte Hygieniker. „Die Fruchtfliege beißt doch nicht, die sticht nicht, die frißt nicht viel, und leise ist sie auch noch.“

Paah, schimpft der empfindliche taz-Kollege, aber sie schwirrt herum, wenn man den Deckel hochhebt. Da fährt ihm der weitgereiste taz-Kollege in die Parade: „Nur die Deutschen wollen sogar ihren Müll antiseptisch haben. Die spinnen. Da ist doch ein Deckel drauf!“ Dem pingeligen Kollegen aber kann mit einem Tip der Bremer Entsorgungsbetriebe geholfen werden: Eine Lage Zeitungspapier ins Küchen-Eimerchen und in die große braune Tonne – das reduziert die Feuchtigkeit und damit den Komfort für Fruchtfliegenmaden – und dann auch nach jeder Befüllung eine Zeitung auf den Schmodder. Seitlich feststopfen! Alt-Kompostierer und BEB-Sprecher Alexander Vedder verspricht: „Da kann keine Fliege mehr auffliegen.“ cis

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen