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Menschenrechtsbeauftragter gibt auf

■ Tadeusz Mazowiecki kritisiert die Kapitulation der UNO in den Enklaven Srebrenica und Žepa

Genf (taz) – Der UNO-Sonderberichterstatter für die Menschenrechtslage im ehemaligen Jugoslawien, Tadeusz Mazowiecki, hat seinen Rücktritt erklärt. In einem Schreiben an UNO-Generalsekretär Butros Ghali begründete der frühere polnische Ministerpräsident seinen Schritt mit dem Versagen der internationalen Staatengemeinschaft in Bosnien. Die UNO habe die Eroberung ihrer Schutzzonen Srebrenica und Žepa erlaubt. Die Beschlüsse der Londoner Konferenz, die „den Fall Srebrenicas akzeptiert“ und „vor dem Schicksal Žepas resigniert“ habe, seien „inakzeptabel“ für ihn, erklärte Mazowiecki. Der im August 1992 von der UNO-Menschenrechtskommission ernannte Sonderberichterstatter hatte die Einrichtung von Schutzzonen bereits kurz nach seinem Amtsantritt dringend empfohlen. Mit Blick auf seine langjährigen Erfahrungen als Menschenrechtsaktivist schrieb Mazowiecki an Butros Ghali: „Wir haben in Polen gegen ein totalitäres System gekämpft, mit der Vision eines Europas von morgen. Wie können wir an ein Europa glauben, das von den Kindern derjenigen Menschen geschaffen wird, die wir heute im Stich lassen?“

Seit seiner Ernennung vor drei Jahren hatte Mazowiecki insgesamt 17 Berichte über die Menschenrechtssituation vorgelegt. Dabei kam er zu dem Ergebnis, daß rund 80 Prozent aller Kriegsverbrechen und Menschenrechtsverstöße auf das Konto der Serben gehen. Bereits mit seinem ersten Bericht stieß Mazowiecki auf Kritik bei Butros Ghali, weil er das Dokument nicht in New York absegnen ließ. Seitdem haben die Bürokraten im Genfer UNO-Menschenrechtszentrum häufig versucht, Mazowieckis Berichte zu entschärfen. Auch von der Unprofor erhielt Mazowiecki bei seinen Reisen zumeist nicht die benötigte Unterstützung. Daran scheiterte unter anderem Mazowieckis Besuch der inzwischen aufgelösten serbischen Internierungslager. Mazowieckis achtzehnter und letzter Bericht, in dem er Beweise für Greueltaten der Karadžić- Serben gegen die ehemaligen Bewohner von Srebrenica vorlegen will, soll nächste Woche veröffentlicht werden.

Eine Untersuchung der Vertreibung aus Žepa wird der polnische Menschenrechtler somit nicht mehr vornehmen. Bis gestern waren rund 4.000 ehemalige Bewohner der UN-Schutzzone in der zentralbosnischen Stadt Kladanj eingetroffen. Unklar ist jedoch weiterhin das Schicksal von Hunderten, vielleicht Tausenden Bosniern, die sich in den Bergen und Schluchten rund um Žepa verstecken. Bereits am Mittwoch konnte das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) erstmals muslimische Gefangene aus der von Serben eroberten ehemaligen UN-Schutzzone Srebrenica besuchen. Drei IKRK- Delegierte und eine Krankenschwester erhielten Zutritt zum Lager Batkovic im Nordosten Bosniens. Nach Angaben eines IKRK-Sprechers seien Einzelgespräche mit den Gefangenen möglich gewesen. Die Entscheidung des US-Senats, das Waffenembargo gegen Bosnien aufzuheben, hat erwartungsgemäß sehr unterschiedliche Reaktionen ausgelöst. Die bosnische Regierung begrüßte den Beschluß als „großen Sieg der Gerechtigkeit“, die französische Regierung hingegen sprach von einer „schwerwiegenden Entscheidung“, die den Abzug der UN- Truppen aus Bosnien zur Folge haben werde. In der Bundesrepublik sprach sich der CSU-Vorsitzende Theo Waigel für die „sofortige Aufhebung des Embargos“ aus. Die Bundesregierung lehnt dies jedoch ebenso wie die SPD ab. Der US-Senat hatte am Mittwoch abend mit 69 gegen 29 Stimmen für die Beendigung des Embargos gestimmt. Konsequenzen hat die Entscheidung jedoch erst nach einem Rückzug der Blauhelme aus Bosnien oder zwölf Wochen nach einer Abzugsforderung der bosnischen Regierung an die UN.

Andreas Zumach Seiten 2, 8 und 10

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