■ Ökolumne: Sonnenfinsternis Von Manfred Kriener
Dreimal Zukunft in Deutschland. Drei richtungsweisende Standortentscheidungen haben einmal riesigen, einmal großen und einmal gar keinen Wirbel verursacht. Es geht um drei verschiedene Technologien und um unsere Wahrnehmung.
Den Riesenwirbel provozierte die Produktionsverlagerung der Gentechnik. Die Auswanderung von Bayer in die USA und die Drohgebährden anderer Firmen reichten aus, um das Bild vom technologischen Fadenriß heraufzubeschwören, vom Rückfall einer Industriegesellschaft auf das Niveau von Jägern und Sammlern. Als Konsequenz wurde eine sündhaft teure Akzeptanzkampagne losgetreten, das Gentechnik- Gesetz weitgehend abgeschafft und alle Hemmnisse für die einschlägige Branche beseitigt.
Dann kam das Ende der Plutoniumverarbeitung in Hanau. Ein Aufschrei ging durchs Land. Nach Kräften wurde Trauerarbeit geleistet, der Verlust an Arbeitsplätzen beweint und die Aufgabe einer „zukunftsträchtigen Technologie“ scharf kritisiert. Um Hanau doch noch zu retten, machten absurdeste Vorschläge die Runde, bis hin zu der glänzenden Idee, in der skandalgeschüttelten hessischen Atomschmiede den Bombenstoff aus sowjetischen Atomraketen zu recyceln.
Und jetzt das Aus für die Photovoltaik-Produktion
in Deutschland. Der letzte wichtige Hersteller von Solarzellen, die RWE-Tochter ASE, verlagert – wie zuvor schon Siemens- Solar – ihre Fertigung in die USA. Eine der wichtigsten Zukunftstechnologien für das vielleicht größte Massenprodukt des Welt-Foto: Georgios Anastasiades
markts im näch-
sten Jahrhundert wird hierzulande auf Null gebracht, die Chance verspielt. Hat sich jemand aufgeregt? Gab es Fernsehbilder, Leitartikel, Anzeigenkampagnen, Initiativen zur Rettung? Wurden Gesetze geändert, wirtschaftliche Rahmenbedingungen angepaßt? Hat jemand den Standort Deutschland bedroht gesehen?
An Reaktionen gab es nichts, außer der hilflosen Routineempörung einschlägiger Solar- und Umweltorganisationen. Die meisten Zeitgenossen haben das Ende der kommerziellen Solarzellenproduktion nicht einmal bemerkt. Politische Konsequenzen: keine. Während die hessische Landesregierung in Sachen Hanau als Totengräber der Industrie schwer gebrandmarkt wurde, bleibt die Energie- und Forschungspolitik der Bundesregierung unberührt.
Die Zahlen des deutschen Sonnenuntergangs sind bekannt: Für die Entwicklung eines einzigen Automodells („Mondeo“) hat Ford sechsmal soviel Geld ausgegeben wie die Bundesregierung insgesamt zur Förderung der Solarenergie. Die Atomkraft hatte bis 1992 zwölfmal soviele Forschungsmittel kassiert wie alle erneuerbaren Energien inklusive Wasserkraft und Energiespartechniken zusammen. Nach Zahlen von „Eurosolar“ wird für die Kohlesubvention gegenwärtig 70mal mehr Geld ausgegeben als für die Markteinführung der Solarenergie.
Für die Zukunft sind in Deutschland andere zuständig. Kleine Initiativen, einzelne Kommunen und Stadtwerke. In Hammelburg, einem kleinem bayerischen Nest, zahlen die Stadtwerke den Solarstromern zwei Mark pro erzeugte Kilowattstunde. In Freiburg wird von der Solaragentur Regio eine Anlage nach der anderen installiert. Die Finanzierung läuft über private Anteilscheine für 10.000 Mark. Das neueste Projekt wird 2.000 Quadratmeter groß sein. Bei der Vorgängeranlage erhielten die 300 Anteilzeichner als Belohnung eine Dauerkartenoption für den SC Freiburg. Trainer Finke zeichnete den ersten Schein.
So prächtig diese Initiativen sind – den notwendigen preisbrechenden Einstieg in die Massenproduktion von Solarzellen werden sie nicht schaffen. Mit Masochismus allein – die Privatinvestoren zahlen meist drauf – läßt sich keine Zukunftstechnologie durchsetzen. Dazu braucht es als Anschub eine kostendekkende Vergütung von eingespeistem Solarstrom von Cap Arkona bis zum Bodensee, dazu braucht es Anreize und Markteinführungshilfen.
Die Ludwig-Bölkow-Systemtechnik hat ein Absinken der gegenwärtigen Kosten des Solarstroms von rund 1,50 Mark je Kilowattstunde auf 30 bis 37 Pfennig im Jahr 2005 vorrausgesagt. Danach stünden wir vor dem entscheidenden Jahrzehnt, in dem der Solarstrom den Sprung in die Wirtschaftlichkeit schafft. Sicher ist: Er wird ohne die Bundesrepublik springen. Aber das stört niemanden in der Solarprovinz Deutschland.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen