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Vorwärts mit dem 16. Jahrhundert

Die neue ukrainische Währung Griwna soll ab Oktober den siechenden Karbowanjez vergessen machen / Die Inflationsrate des Landes sinkt auf ein erträgliches Niveau  ■ Aus Moskau Barbara Kerneck

Es gibt sie nicht mehr und noch nicht: Die Griwna, die in diesem Herbst zur neuen Währungseinheit der Ukraine werden soll. Im alten russischen Staat, zu dem Gebiete der heutigen Ukraine und des heutigen Rußlands gehörten, wurde eine Münz- und Gewichtseinheit gleichen Namens im 16. Jahrhundert von moderneren Geldstücken namens Rubel abgelöst. Jetzt muß die Bezeichnung „Griwna“ wieder herhalten, um der Ukraine zu dem zu verhelfen, was ihr bisher als fast einzigem GUS-Staat noch fehlt – zu einer vollwertigen nationalen Währung. Mit dem zur Zeit gültigen Karbowanjez ist kein Staat zu machen, er war ohnehin nur als Übergangslösung gedacht, und das ist gut so. Denn als Währung entwickelte er Eigenschaften, die seinem Namen an Häßlichkeit nicht nachstanden.

Da ist vor allem sein abschüssiger Kurs gegenüber dem Dollar. Letzten Donnerstag mußten die UkrainerInnen schon 147.300 Karbowanzen für einen Dollar hinblättern, während es einen Monat zuvor erst 141.000 gewesen waren. Anfangs hatte Präsident Kutschma prophezeit, die Griwna werde im dritten Quartal dieses Jahres das Licht der Welt erblicken, aber letzte Woche faßte er die Entbindungsfrist schon weiter: nicht später als Oktober.

Als Hebamme fungiert im Falle der Griwna der Weltwährungsfonds, von dem die Ukraine demnächst die dritte Stand-by-Kredit- Rate in Höhe von 350 Millionen Dollar erwartet. Deshalb prüfen seit vierzehn Tagen Inspektoren des Fonds, ob Präsident Kutschma sein Programm der wirtschaftlichen Stabilisierung auch so einhalten konnte, wie er es ihnen zu Jahresbeginn versprach. Nur wenn die ausländischen Herren zufrieden sind, wird für die Griwna der Weg in die weite Welt freigegeben. Nach Angaben der ukrainischen Zentralbank kann sie den Kurs der neuen Währung mit Devisenreserven von zwei Milliarden Dollar absichern – nicht gerade viel für einen Staat mit etwa 52 Millionen Einwohnern. Immerhin sank die monatliche Inflationsrate im Juni auf 4,8 Prozent. Im November vergangenen Jahres hatte sie noch bei über 72 Prozent gelegen.

Als Hilfe für die Ukraine beschloß letzte Woche der Rat der Moskauer Interbank-Valutabörse, den Kurs des Karbowanjez von nun an nach dem Schema des „Frankfurter Fixing“ festzusetzen. Er soll nun aus dem Mittel der letzten Käufe und Verkäufe bestimmt werden, und nicht, wie bisher, nach den neu vorliegenden Angeboten. Dies erschwert Spekulationen mit dem Karbowanjez und setzt ihn – wenigstens im Hinblick darauf, wie er an der GUS-Hauptbörse gehandelt wird – mit der Deutschen Mark gleich.

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