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Rassismus ist hier unbekannt

In der Slowakei mehren sich die Übergriffe auf Roma, doch die Regierung lehnt es ab, eine europäische Kampagne gegen Rassismus zu unterstützen  ■ Von Katrin Bock

Prag (taz) – Jenseits der Zipser Burg ist es mit der Idylle der ostslowakischen Vorgebirgslandschaft vorbei. Hier, am Fuße der mächtigen Burgruine, leben wohl die ärmsten der armen Roma Mitteleuropas. In baufälligen Ziegelhütten, die Fensteröffnungen notdürftig mit Pappe geschützt. Gekocht wird im Freien, auf dem lehmigen Boden, der sich bei Regen in ein Matschfeld verwandelt, spielen die Kinder Fangen. Rund hundert Roma wohnen in diesem Slum, schon vor Jahren haben sie ihre Wohnungen in der nahen Kleinstadt Spišaká Nová Ves verloren. Bisher wurde in den westlichen Medien vor allem über die Roma- Feindlichkeit der Tschechen berichtet, über die Slowakei wurde dagegen fast nichts bekannt. Jüngste Umfragen zeigten nun, daß 80 Prozent der Slowaken keine Roma als Nachbarn haben wollen, 90 Prozent geben zu, ein schlechtes Verhältnis zu der nach den Ungarn zweitgrößten Minderheit im Lande zu haben. Bei der Volkszählung vor vier Jahren gaben von den insgesamt fünf Millionen Bewohnern der Slowakei nur 76.000 „Rom“ als Nationalität an. Geschätzt wird ihre Zahl jedoch auf rund 300.000, das entspricht 6,5 Prozent der Gesamtbevölkerung.

Inzwischen gibt es jedoch nicht „nur“ eine feindliche Haltung gegenüber den „Schwarzen“, es mehren sich auch die Übergriffe. So hat eine Gruppe von zwanzig Skinheads in der mittelslowakischen Kleinstadt Žiar nad Hronom mehrmals durch Überfälle auf in der Stadt lebende Roma auf sich aufmerksam gemacht. Am 21. Juli erreichten diese ihren vorläufigen Höhepunkt, der das gesamte Land aufschrecken ließ. An jenem Freitagabend hatten sich die zum größten Teil minderjährigen Glatzköpfe dazu verabredet, „Roma verkloppen“ zu gehen.

Nachdem sie zwei zufällig vorbeikommende Roma zusammengeschlagen und in eine von Roma bewohnte Wohnung sowie ein Roma-Lokal Brandsätze geworfen hatten, fielen die Skinheads über den 18jährigen Mario R. her. Sie überschütteten ihn mit Benzin und zündeten ihn an.

Der Rom liegt derzeit mit schwersten Verbrennungen auf der Intensivstation einer Spezialklinik. Bisher hatten auch die Regierenden in Bratislava stets darauf hingewiesen, daß in ihrem Lande, im Gegensatz zu Tschechien das Phänomen Rassismus nicht existiere und es zu keinen Überfällen käme wie im böhmischen Zdar nad Sazavou, in dem im Mai eine Gruppe von Skinheads einen Rom erschlagen hatte. Die Schulministerin Eva Slavkovská hatte daher noch vor wenigen Wochen die Durchführung einer internationalen Kampagne des Europarates gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit in der Slowakei mit der Begründung abgelehnt, daß solche Erscheinungen hier unbekannt seien. Und so ist aus Bratislava auch noch keine offizielle Verlautbarung zu dem Überfall in Žiar zu hören gewesen.

Die Oppositionsparteien warnen dagegen vor einer Eskalation. Hohe Arbeitslosigkeit sowie Unzufriedenheit mit der Entwicklung im Lande würden allgemein zu einer wachsenden Gewaltbereitschaft beitragen. Opfer sind dabei nicht nur Roma: Nach einem Fußballspiel in Bratislava warfen slowakische Glatzköpfe ungarische Fans kurzerhand aus einem fahrenden Zug. Die Ungarn hatten Glück und überlebten.

Im 20.000 Einwohner zählenden Žiar wohnen laut Volkszählung rund 300 Roma, die nun natürlich Angst vor weiteren Überfällen haben. Denn mit einer strafrechtlichen Verfolgung der Täter, allesamt Söhne aus „gutem Hause“, rechnen sie aufgrund der Erfahrungen aus der Vergangenheit nicht. So sammeln die Roma nun Unterschriften für eine Petition an das Innenministerium, in der sie ein Versammlungsverbot für faschistische Gruppen fordern und die Einführung härterer Strafen für rassistisch motivierte Straftaten. Immerhin: Drei der Skins aus Žiar wurden inzwischen verhaftet, sie sollen wegen rassistisch motivierter Körperverletzung angeklagt werden.

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