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Trauermarsch in Rot-grün-gelb

■ Friedliches Gedenken an Tote des Hungerstreiks / Polizei hielt sich zurück und tolerierte Fahnen der verbotenen PKK

Was die ERNK, der parlamentarische Arm der PKK, noch vorgestern in einer Presseerklärung als „Anlaß der Verfolgung“ anprangerte, war auf dem gestrigen Trauermarsch für Gülnaz Baghistani gang und gäbe: die kurdischen Nationalfarben Rot, Grün und Gelb. Eine große Kurdenfahne lag auf dem Sarg der Toten, deren Leichnam einbalsamiert bis zum Ende der Abschlußkundgebung am späten Nachmittag neben der Rednertribüne stand.

Vor den Augen der Polizei schwenkten Dutzende Kurden die rot-grün-gelbe Kurdenfahne. Doch in der gestrigen Taktik der Zurückhaltung seitens der Polizei sehen viele Kurden keinen Grund zum Jubeln. „Vielleicht werden morgen schon wieder kurdische Einrichtungen geschlossen“, sagte ein Kurde, der sich seit dem 20. Juli im Hungerstreik befindet. Über eine Fortführung des Streiks wollten die DemonstrantInnen gestern abend entscheiden. Der Sprecher des Berliner Hungerstreikkomitees ging bereits vor dem Trauermarsch von einer Tolerierung der PKK-Symbole aus. Nach Polizeiangaben wurden gestern elf Personen festgenommen, sechs von ihnen trugen PKK-Fahnen.

Das Hungerstreikkomitee wies auch gestern wieder die Schuld am Tod von Gülnaz Baghistani der Polizei zu. Die fünffache Mutter sei nicht „im Irak unter Saddams Giftgas“ gestorben, sagte ein Redner, sondern „an den Folgen des Polizeieinsatzes“. Der Ehemann der Verstorbenen, Hadi Baghistani, forderte die Demonstranten auf, für ein geeintes Kurdistan zu kämpfen. Seine Rede wurde immer wieder unterbrochen von Hochrufen auf den Generalsekretär der PKK und dem Ruf der Menge „Ich bin die PKK“. Baghistani bezeichnete Innenminister Manfred Kanther (CDU) als „Mörder“ und „Kantir“, was im Kurdischen „Maulesel“ heißt. Er beklagte, daß sich die deutsche Regierung bisher nicht zu dem Hungerstreik geäußert habe.

Eine Schwägerin der Verstorbenen sagte, daß der Tod von Gülnaz Baghistani wie „eine weitere Treppenstufe auf dem steinigen Weg in die Freiheit“ sei. „Sie wird uns ermutigen, weiterzumachen“, sagte sie. Der kulturpolitische Sprecher der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Albert Eckert, kritisierte auf der Kundgebung die türkische und die deutsche Regierung für ihre „Politik der guten Worte und bösen Taten“. „Ich verneige mich vor Gülnaz Baghistani“, sagte er. Wer kurdische Einrichtungen verbiete, brauche sich über Protest nicht zu wundern. Barbara Bollwahn

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