: Pappteller über Hollywood
■ Die „schlechtesten Filme der Kinogeschichte“ landen in Bremen: die genialen Horror- und SciFi-Billigproduktionen von Ed Wood
Über schlechte Filme ärgert man sich – dies schien bisher so selbstverständlich zu sein wie „Schimmel sind weiß“ und „Regen macht naß“. Aber schon seit den frühen 80er Jahren gibt es einen kleinen, verschworenen Kult von Filmfanatikern, die sich absichtlich und mit Begeisterung auf die Stinker des Kinos stürzen. Die Medved-Brothers, Erfinder des „Golden Turkey Award“, sind mit Büchern, TV-Shows und Filmfestivals ihre Propheten und Edward D. Wood ist ihr Orson Welles.
Man kann den Mut des Regisseurs Tim Burton nur bewundern, wenn er nun ausgerechnet über den Untalentiertesten seiner Gilde einen Film machte – und zwar gar keinen schlechten. Nun ist Ed Wood doch noch gesellschaftsfähig geworden. Als Ergänzung zu Burtons Film werden daher seine Filme wieder ausgegraben und in ganz normalen Kinos gezeigt. Die alten AnhängerInnen dürften sich freilich mit Grausen abwenden: Nichts ist schließlich tödlicher für einen Kult, als in den Mainstream eingerührt zu werden.
Was ist denn nun so faszinierend am schlechtesten Film aller Zeiten? In allen relevanten Umfragen hält Woods Science-Fiction-Film über außerirdische Grabräuber, „Plan 9 From Outer Space“, diese Spitzenposition. In „Plan 9 From Outer Space“ sind soviele lächerliche Stümpereien, logische Ungereimtheiten und künstlerische Offenbarungseide versammelt, daß man wie ungläubig davor sitzt: Daß es solch einen Film überhaupt geben kann, ist fantastischer als alle Special Effects Hollywood zusammengenommen.
Die Kernszenen hat Burton ja schon mit erstaunlicher Werktreue nachgestellt: Die Pappteller, die als UFOs über Hollywood kreisen, die wenigen Aufnahmen von Bela Lugosi und die vielen von seinem Double, das ihm überhaupt nicht ähnlich sieht und deshalb immer den Mantel über das Gesicht gezogen hält; oder die lächerlichen Dekorationen mit wackelnden Sperrholzgrabsteinen und einem Flugzeug-Cockpit, das mit einer Wolldecke statt des Steuerknüppels ausgerüstet ist.
Aber nur im Original wirkt das Werk in seiner ganzen Größe. So etwa hirnrissige Textstellen wie: „Inspector Clay's dead! Murdered! And somebody's responsible!“ oder die Unverfrorenheit, mit der Wood Aufnahmen zusammenschneidet, so daß eine Frau direkt von einem nächtlichen Friedhof auf eine von der Sonne bestrahlten Straße läuft. Alles, aber auch wirklich alles an diesem Film ist so erbärmlich schlecht, daß man aus dem Staunen nicht herauskommt. Und deshalb starrt man gebannt auf die Leinwand, wie sonst nur bei den ganz guten Filmen.
Deshalb ist es auch nur konsequent, wenn Ed Wood in Tim Burtons biografischen Film auf Orson Welles trifft. Beide waren sie glühende Filmfanatiker, und Wood verstand sein SciFi-Abeteuer tatsächlich als Pendant zu Welles' Meisterwerk „Citizen Kane“. Nicht ganz zu Unrecht: In beiden Filmen muß man höllisch aufpassen; es unmöglich, beim ersten Sehen alle Nuancen und Bedeutungsebenen der Werke zu erfassen.
Aber auch ein Ed Wood konnte dieses Niveau nicht über mehrere Werke halten. „The Bride of the Monster“ ist insgesamt längst nicht so überzeugend wie „Plan 9“. Bela Lugosi muß sich hier beim Kampf mit dem Gummi-Tintenfisch die bewegungslosen Tentakel (wegen Motorschaden) selbst um den Leib schlingen, und eine Sekretärin greift nach einem Telefonhörer und beantwortet einen Anruf, obwohl man es gar nicht klingeln hörte. Aber diese wenigen Glanzpunkte sind weit gestreut. Hier langweilt man sich dann doch über lange Strecken, weil der Film einfach nur schlecht ist.
So wie es unmöglich zu erklären ist, was wirklich große Kunst ist, bleibt auch beim völlig Mißlungenen die Linie zwischen amüsant und ärgerlich undefinierbar.
Wilfried Hippen
Schauburg: „Plan 9“ tägl. 18 Uhr/ „Bride Of the Monster“ tägl. 23 Uhr
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen