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Unterm Strich

Aus Protest gegen den Stumpfsinn des deutschen Feuilletons ist der Wetzlarer Verlagslektor Rainer Hackel in einen unbefristeten Hungerstreik getreten. Er nehme nur flüssige Nahrung zu sich. Der Hintergrund sind nicht etwa die Massierung blumiger Einstiegsfloskeln, neueste Einschätzungen zum Berliner Prinzenbad und seiner Liebeskultur oder gar Kriminalromane, die eigentlich keine sind und dennoch so dahinlaufen. Grund ist vielmehr die Tatsache, daß das von Hackel betreute Buch „Phänomen Bruckner“ von Ernst Herhaus so gar nicht von der Kritik gewürdigt wird. Als Reaktion auf den Hungerstreik hat die „Mittelbayerische Zeitung“ an diesem Mittwoch „tief betroffen“ eine Rezension des „Phänomen Bruckner“ veröffentlicht. „Herr Hackel kann sich heute mittag endlich wieder seine Spaghetti reinziehen“, hieß es aus der Kulturredaktion. Es ist damit zu rechnen, daß ob dieses Erfolges Hackels Beispiel Schule macht. Wir teilen aber gleich mit, daß hier nur mit Lektoren verhandelt wird, die ein Mindestgewicht von sechzig erwachsenen Kilogramm aufweisen.

Die Büdnerei Lehsten im Müritzkreis lädt morgen zu einem ungewöhnlichen Gospel- und Jazzkonzert ein. Im Garten des stillgelegten Kleinbauernanwesens gastieren die Gospelsängerin Lillian Boutte aus New Orleans und ihr Mann, Thomas L'Etienne, mit Klarinette und Saxophon, wenn auch nicht unbedingt in dieser Reihenfolge. Frau Boutte ist von der Stadt New Orleans außerdem hinlänglich zur Botschafterin in musikalischen Dingen ernannt worden.

Börsenspekulant Nick Leeson, derzeit wegen seiner nicht unerheblichen Rolle beim Zusammenbruch der britischen Baring Bank in Frankfurt inhaftiert, wird nun singen und wird, wie dpa sehr hübschlich dichtete, vom Banker zum Punker, huaaaargghhh. Für eine Maxi-CD der englischen Punkband „The Bollock Brothers“ singt Leeson die erste Strophe des Frank Sinatra-Klassikers „My Way“.

Mit einem heftigen Meinungsstreit über Inszenierung und Ausstattung ist nun der erste „Ring“-Zyklus der Bayreuther Festspiele mit der Oper Götterdämmerung zu Ende gegangen. Regisseur Alfred Kirchner und Bühnenbildnerin Rosalie mußten etliche Unken-und Buhrufe hinnehmen. James Levine hat, ginge es nur nach dpa, ausladend und genüßlich auskostend dirigiert. Im selben Modus würden wir nun gern zu Tisch schreiten, allein: da ist kein Tisch, kein Häufchen Stroh, zu betten unser müdes Haupt, kein Tellerchen Wein, zu netzen unsere Furcht. Wahrscheinlich wird das versprochene Restaurant erst eröffnet, wenn beim Hungerstreik gegen die Dumpfheit des deutschen Feuilletons, der ja, in unserem Fall jedenfalls, gerade mit dem Hunger aufs Engste verknödelt ist, schon erste Führungskräfte der deutschen Kulturlandschaft gräßlich eingegangen sind. Dann heißt es wieder, ach hätten wir doch.

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