: „Staatlich verordneter Rassismus“
Die Bündnisgrünen kritisieren heftig die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung und kündigen einen eigenen Antrag im Bundestag zur Aufnahme von Bosniern in der Bundesrepublik an ■ Aus Bonn Karin Nink
Die Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen will direkt nach der Sommerpause einen Antrag zur Aufnahme von weiteren Bürgerkriegsflüchtlingen stellen. In einer namentlichen Abstimmung sollen die Bundesparlamentarier dann nach dem Willen der Grünen entscheiden, ob sie bereit sind, weitere Flüchtlinge aus dem ehemaligen Jugoslawien aufzunehmen. „Ich bin sehr gespannt darauf, wie sich die christlich-demokratischen und liberalen Abgeordneten dann verhalten“, sagte Fraktionssprecherin Kerstin Müller gestern in Bonn. Schwere Vorwürfe machte sie der Bundesregierung, weil sie sich weigere, weitere Flüchtlinge aus dem Bürgerkriegsgebiet aufzunehmen.
Diese Haltung sowie die geplante Kürzung der Sozialhilfe für Flüchtlinge um 20 Prozent bezeichnete sie als „staatlich verordneten Rassismus“. Die Argumente von Bundesinnenminister Manfred Kanther hält Müller nicht für stichhaltig. Der Minister ist der Meinung, Deuschschland habe mit der Aufnahme von rund 350.000 Bosniern schon das Gros der Flüchtlinge versorgt. Wegen der hohen Unterbringungs- und Versorgungskosten könnten keine Menschen mehr aufgenommen werden. Müller: „Kanther verschweigt dabei, daß die Hauptlast der Versorgung der bosnischen Flüchtlinge durch in Deutschland lebende Angehörige getragen wird.“
Hier wohnende „Jugoslawen“ hätten ihre Angehörigen nach Deutschland geholt und sich in einer Erklärung verpflichtet, für deren Unterhalt zu sorgen. Rund 40.000 der 350.000 Flüchtlinge seien über diese Verpflichtungserklärungen zu uns gekommen. Die Bündnisgrüne plädierte dafür, die Visumspflicht für Bosnier aufzuheben und die Rückführung von Flüchtlingen nach Kroatien aufgrund der Kriegsgefahr umgehend zu stoppen. Außerdem soll der Rechtsstatus für Bürgerkriegsflüchtlinge endlich festgeschrieben werden.
Auch die SPD hat Kanther aufgefordert, die im Ausländerrecht vorgesehene Aufenthaltserlaubnis für Bürgerkriegsflüchtlinge „endlich umzusetzen“. „Die Bundesregierung muß ihre inhumane und zynische Diskussion über die Aufnahme von bosnischen Flüchtlingen beenden und endlich den Kriegsopfern helfen“, forderte die stellvertretende Parteivorsitzende Herta Däubler-Gmelin.
Die Arbeitsgemeinschaft Pro Asyl fordert, „unverzüglich“ ein Sofortprogramm für Flüchtlinge in Europa zu organisieren. Volker Hügel vom NRW-Flüchtlingsrat verwies darauf, daß Flüchtlinge mit einem Aufenthalts- und Arbeitsrechtsstatus für sich selber sorgen könnten und nicht mehr auf Sozialhilfe angewiesen seien: „Nach der Genfer Flüchtlingskonvention genießen Kriegsflüchtlinge vollen Schutz und haben Anspruch auf ein Bleiberecht.“
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