Durchs Dröhnland: Gefährlich schallende Harmlosigkeit
■ Die besten und schlechtesten, die wichtigsten und überflüssigsten Konzerte der kommenden Woche
„Ja, wir machen das Maul auf und sagen dann, was wir denken / Und geben dann noch einen drauf, bevor wir was verschenken“, rappen Fremde-B-Sucher. Das Stück heißt „Schweigen heißt...“, aber Schweigen wäre bestimmt das letzte, was sie freiwillig tun würden.
In ihrem Ansatz sind die Berliner, auch wenn es sie noch nicht lange gibt, ganz deutsche „old school“ und in erster Linie damit beschäftigt, die eigene Befindlichkeit auszudiskutieren, sich Respekt zu erreimen und klarzustellen, daß HipHop da ist und nicht mehr weggeht. Aber mal abgesehen davon, daß auch der deutsche HipHop schon über die Selbstverortung hinaus gelangt ist, überzeugen die Besucher mit einer recht gelungenen Mischung aus Samples und Originalinstrumenten und vor allem sehr eleganten Raps aus vielen verschiedenen Kehlen.
Die Berechtigung, noch etwas retrospektiv ausgerichtet zu sein, sollte man ihnen wegen ihrer vorhandenen Vergangenheit als Freak Brothers nicht abstreiten. Die Instrumentierung ist für meinen Geschmack zwar etwas mager geraten und läßt etwas Finesse vermissen, aber demnächst werden vielleicht die Produktionsbedingungen auch besser. Versprochen ist jedenfalls: „Ich rappe mich nach oben.“
Heute, 22 Uhr, Franz, Schönhauser Allee 36-39, Prenzlauer Berg
Wenn es noch eines Beweises bedurft hätte, daß Techno eine ziemlich unangenehme Angelegenheit werden kann, dann liefert ihn DJ Bobo. Eigentlich rührt der gebürtige Schweizer, der den ganz bürgerlichen Namen Ren Baumann trägt, nur zusammen, was die Love Parade und einige Hobbyideologen der Bewegung versprochen haben.
Dabei kann man Baumann, der vor nun fast zehn Jahren zweimal Zweiter bei den Schweizer Discjockey-Meisterschaften war, gar nicht mal böse sein, denn zu dackelmäßig schaut er aus seinen klaren Augen, die langen Haare immer lockig und gepflegt, die Hände keusch vorm Bauch gefaltet. Was MC Hammer für den US- HipHop war, ist Bobo für den europäischen Techno: der schon fast gefährlich erfolgreiche Versuch, die Kinderstuben mit absoluter Harmlosigkeit zu beschallen.
Morgen, 20 Uhr, Huxley's Neue Welt, Hasenheide 108-114, Neukölln
Ihre Bandgeschichte handeln Freygang in ihrem letzten PR- Blatt mit einem einzigen Wort ab: „Unvorstellbar.“ Soviel dazu. Ansonsten muß ich zugeben, daß ich ziemlich positiv überrascht war über die letzte Platte der Ostberliner. Nicht weil sie mit einem Stück beginnt, das Grunge sein will; nicht weil da „Karamba“ ist, das sich anhört, als würden ein paar besoffene Animateure auf Mallorca versuchen, Schweinerock zu machen und dabei noch gleichzeitig die Cluburlauber zu unterhalten; nicht weil „Self Destruction“ so was wie der Versuch ist, Rap auf ostdeutsche Verhältnisse zurechtzustutzen.
Nein, sondern weil all diese wild wuchernden Auswüchse, die einer ganzen Krankenhausabteilung schizophrener Hirne entsprungen zu sein scheinen, alle recht gut funktionieren. Der Titel „Golem“ ist da sogar angebracht. Diese Platte klingt so, als würde hinter ihr nichts mehr kommen können, aus jeder Rille schreit ein verzweifeltes Aufbäumen, als wenn sie die letzte ihrer Art wäre.
Unangenehm stößt nur der überdeutliche Bezug zum Völkermord an den Indianern Nordamerikas auf: Ein Lied heißt „Wounded Knee“ und handelt von jenem berüchtigten Massaker, die Band stilisiert sich fotografisch in eine indianische Nachfolge. Kann man nur hoffen, daß die sich unweigerlich aufdrängenden Vergleiche zur jüngsten deutschen Geschichte von Freygang so nicht gewollt sind.
Sonntag, 22 Uhr, Franz
Schon komisch, wie aus Menschen plötzlich so ganz andere Musik kommen kann. Aus zwei fröhlichen Punkern von Feeling B, einem weniger fröhlichen Rocker von der Firma, einem folkigen Hoppel-Basser von den Inchtabokatables und einem psychedelischen Drogen-Trommler von Quartered Shadows wird ausgerechnet Rammstein.
Nun gut, immerhin Sänger Till Lindemann hat mit First Arsch annähernd Ähnliches gemacht, aber wie der Rest auf diese schwere deutsche Kost verfiel, wird wohl auf ewig ein Rätsel bleiben. Rammstein sind so was wie ein deutsches Laibach, nur daß man bisher auf ein Augenzwinkern vergeblich wartete. Da rumpelt der Metal so satt und fett wie selten gehört, werden keck und prinzipiell Hühnerbrüste enthüllt und wird auf Fotos der Herrenmensch gemimt.
Und weil Geschwindigkeit und Noise des Feldes verwiesen sind, ergibt sich eine Klarheit, die an die Schmerzgrenze geht. Den Rest erledigt Lindemanns Kindermörderorgan. Man weiß nicht, was man davon halten soll, aber irgendwie, irgendwo ist es ziemlich klasse.
Am 8. 8. um 21 Uhr im Knaack, Greifswalder Straße 224, Prenzlauer Berg
In einschlägigen Fanzines wurde schon gemunkelt, die Plattenfirma von Total Chaos wolle sich mit deren Verpflichtung an das allgemeine Punk-Revival anhängen. Da kann sich jemand was nicht richtig angehört haben oder hat vergessen, was für nette Jungs mit hübschen Melodien doch Green Day waren.
Total Chaos kommen aus Kalifornien, tragen echte, richtige, bunte Irokesenfrisuren wie früher, das Gesamtgewicht ihrer Nieten übersteigt noch das ihrer Lederjacken, sie brauchen eine halbe Stunde für 15 Songs, die heißen dann „Punk No Die“, „Squatters Song“ oder „Kill the Nazis“, sind ziemlich gleich schnell, ungefähr gleich rumpelig, und man kann gut das Kinn dazu wedeln. Sie selbst empfehlen: „Frisier deine Haare stachlig, trag dein beschlagenes Leder und genieße hardcoreverkrusteten Punkrock, der dicker ist als der Schimmel in Johnny Rottens Villa.“ Ihr wißt, wer gemeint ist. Geht hin und viel Spaß!
Di., 8. 8., 21 Uhr, Lindenpark, Stahnsdorfer Straße 76-78, Potsdam, Mi., 9. 8., 21 Uhr, Thomas- Weissbecker-Haus, Wilhelmstraße 9, Kreuzberg
Die Ziele haben sich Jordi's Green nicht allzu tief gehängt. Die Lücke, die Living Colour durch ihre Auflösung hinterlassen haben, wollen sie auffüllen. Erste Auftritte in Berliner Clubs sollen sie in die richtige Richtung bringen. Und natürlich ausführliches Gitarrengeplänkel auf einer stampfenden Grundlage, die die schweinösesten Elemente aus Funk und Metal ohne Zaudern übernimmt.
Dem einen oder anderen mag so offensichtlich demonstrierte Kunstfertigkeit zuviel des Guten sein, aber Thomy Jordi, der der Band seinen Namen gab, freut das so, daß er beim Singen aus dem Quieken und Stöhnen und Japsen gar nicht mehr rauskommt. Schweinerock für Fortgeschrittene: Und links, zwo, drei, vier...
Do., 10. 8., 21 Uhr, Duncker, Dunckerstraße 64, Prenzlauer Berg, Eintritt frei
Thomas Winkler
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