: Deutschlands erste Rabbinerin starb in Auschwitz
■ Oldenburger Rabbinerin Wyler: „Kritik an mir war ein Eigentor“ / Erste Frau im Rabbineramt in Deutschland starb im 1944 KZ Auschwitz
Hannover Die erste Rabbinerin Deutschlands in der Nachkriegszeit, Bea Wyler, hat die Vorbehalte gegen ihre Berufung in Oldenburg zurückgewiesen. „Die Kritik an mir war ein Eigentor“, sagte die 44jährige Schweizerin bei ihrer offiziellen Vorstellung in Hannover. Wyler, die vor einer Woche ihren Dienst bei der jüdischen Gemeinde in Oldenburg angetreten hatte, räumte zugleich ein: „Ich habe nicht überall mit offenen Armen gerechnet.“
Sowohl der Vorsitzende des Zentralrats der Juden in Deutschland, Ignatz Bubis, als auch Michel Friedman, Präsidiumsmitglied des Zentralrats, hatten sich gegen eine Frau im Rabbineramt ausgesprochen. Im orthodoxen Judentum gebe es keine Frauen in dieser Funktion, hatte Bubis kritisiert. „Ich habe weltweit positive Resonanz bekommen“, meinte dagegen die Oldenburger Rabbinerin.
„Vor dem Krieg gab es nur eine Rabbinerin in Deutschland, an den Hochschulen studierten aber sehr viele“, erklärte Bea Wyler. Es habe sich der Beginn einer neuen Bewegung abgezeichnet, die durch den Holocaust unterbrochen worden sei.
Die weltweit erste ordinierte Rabbinerin in der Geschichte des Judentums war die Berlinerin Regina Jonas (1902-1944) gewesen ist. Ihr sechsjähriges Studium an der Hochschule für Wissenschaft des Judentums in Berlin beendete sie 1930 mit einer Prüfungsarbeit zum Thema „Kann die Frau das rabbinische Amt bekleiden?“ Mit Unterstützung des Liberalen Rabbiner-Verbandes wurde Regina Jonas 1935 ordiniert und zwei Jahre später offiziell von der Jüdischen Gemeinde zu Berlin als Lehrerin und seelsorgerliche Betreuerin von Alten und Kranken angestellt.
Als ab 1935 zunehmend Gemeinderabbiner auswanderten oder von den Nazis verhaftet wurden, betreute Regina Jonas – auch als sie Zwangsarbeit in einer Berliner Kartonfabrik leisten mußte – zahlreiche Gemeinden. Die Rabbinerin predigte unter anderem in Berlin, Braunschweig, Wolfenbüttel und Frankfurt (Oder) und ab November 1942 im Konzentrationslager Theresienstadt, wohin sie mit ihrer Mutter deportiert worden war. Am 12. Dezember 1942 verliert sich die Spur von Regina Jonas in Auschwitz. Ihr Todesdatum ist unbekannt. dpa
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Allerdings gebe es eben nicht nur der Orthodoxie verpflichtete Juden, sondern auch Liberale und Konservative. „Sogar in Israel gibt es eine Rabbinerin.“ Wyler selber hat in New York studiert und bezeichnete sich als der amerikanischen konservativen Bewegung zugehörig. „Wir sind in Deutschland eine Einheitsgemeinde und müssen für verschiedene Kultusrichtungen offen sein“, betonte auch der Vorsitzende der jüdischen Gemeinde Niedersachsen, Michael Fürst.
Die Oldenburger Gemeinde, 1992 gegründet, habe sich für die Gleichberechtigung entschieden. „Unsere Gründungsmitglieder und Vorbeter waren immer schon Frauen“, sagte die Vorsitzende der Gemeinde, Sara-Ruth Schumann.
Bubis hatte auch angekündigt, Bea Wyler werde von der Rabbinerkonferenz nicht als Mitglied akzeptiert. „Die Konferenz ist ein loser Zusammenschluß, keine Standesorganisation, die Berufsinteressen vertritt“, erläuterte Fürst. Nicht jeder Rabbiner sei Mitglied dieser Konferenz. Zudem müsse Bea Wyler selber entscheiden, ob sie einen Aufnahmeantrag stellen wolle.
Derzeit gibt es in Deutschland rund 50 000 Juden und etwa 70 jüdische Gemeinden, die von nur 14 Rabbinern und einer Rabbinerin geführt werden. Die Gemeinde Oldenburg zählt 100 Mitglieder.
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dpa/lni ut ll
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