Die Last mit der Lust - nichts als Frust?

■ Eine Studie des Berliner Sexualpsychologen Konrad Sprai kommt zum Ergebnis: In deutschen Betten sieht es für Frauen oft traurig aus.

taz: Sie haben in einer vierjährigen Forschungsarbeit 1.213 Frauen und Männern zu ihren Erfahrungen in Sachen Sex befragt. Was ist dabei rausgekommen?

Konrad Sprai: Wir wollten vor allem wissen, ob die Frauen sexuell erfüllt sind und ob ihr Partner entsprechend einfühlend ist. Demnach sind 76 Prozent der Frauen sexuell unzufrieden. Dabei ist Sexualität unserer Studie zufolge für Frauen ebenso wichtig wie für Männer. Sie werden aber oft enttäuscht und haben zum Teil deshalb kein Interesse mehr.

Nach welchen Kriterien haben Sie die Befragten ausgesucht?

Willkürlich. Quer durch die Bevölkerung: Alle sozialen Schichten sind vertreten, Landbevölkerung, Kleinstadt und Großstädte, Akademiker und Facharbeiter. Interessanterweise gab es keine markanten Unterschiede in den Antworten je nach Bildungsgrad.

Die Studie ist nicht repräsentativ. Ist das Ergebnis nicht fraglich?

Natürlich, aber es liefert gewisse Hinweise zumindest für einen großen Teil der Bevölkerung. Daß die Untersuchung einen Trend widerspiegelt, bestätigen zudem die Aussagen der Frauen in meiner Praxis – allerdings sitzen dort besonders motivierte Leute.

Wo sehen sie die Ursachen für die geringe sexuelle Zufriedenheit von Frauen?

In der Unwilligkeit und Unfähigkeit der Männer. Männer kümmern sich nicht genug um die sexuelle Zufriedenheit der Frauen. Und doch ist das nur ein Symptom. Denn immer noch signalisieren Frauen ihre Bedürfnisse nicht ausreichend. Sie wünschen das akkomodierte, pseudoharmonische Klima, versuchen jede Verstimmung zu vermeiden, bleiben lieber unbefriedigt oder täuschen Befriedigung vor, als daß sie wirklich ihre Bedürfnisse geltend machen.

Das hat doch auch gesellschaftliche Ursachen.

Da haben Sie ganz recht. Die eigentliche Ursache liegt im Patriarchat. Frauen sind durch ihre Sozialisation, durch die überlieferten Normen geprägt von der patriarchalischen Struktur und haben sich weitgehend angepaßt.

Mangelt es nur an Signalen?

Es mangelt Männern an einer richtigen Einstellung. Sie sind auch Opfer der Medien, die ihnen vormachen, daß die Potenz alles ist. Dabei ist das völliger Blödsinn. Die Erotik und das alles wird deshalb hintangestellt. Viele kennen nicht mal die Anatomie der Frau. Oft glauben sie, daß alles in schönster Ordnung ist.

Sind die Männer Opfer, weil sie es gar nicht besser wissen können?

Wenn Männer die Opfer ihrer eigenen Geschlechtsgenossen sind, dann ist das natürlich ein Problem, das schon die Männer betrifft. Doch wie die Situation einmal ist, müssen die Frauen den ersten Schritt tun.

Ihrer Untersuchung zufolge wollen viele Männer den schnellen Sex. Gibt es auch Frauen, die das ähnlich sehen?

Ja, aber das sind sehr wenige. Bei Frauen muß die Sexualität meist eingebettet sein in ein Umfeld von Zuwendung, Zärtlichkeit, Affinität. Das ist bei Männern meist nicht so. Möglicherweise geben es manche Frauen nicht zu, wenn sie pure Sexualität wollen. Denn die Gesellschaft findet das zwar zur Zeit chic, doch richtig anerkannt ist es bei Frauen nicht.

Regieren noch immer die klassischen Rollenklischees?

Im Grunde ja. Nach unserer Untersuchung schätzen Männer bei einer Frau nach wie vor Schönheit, Treue und Anpassung am meisten, auf keinen Fall Intelligenz. Wir sind befangen in einem Besitzdenken, nicht nur im materiellen, auch im emotionalen Bereich. Da hat sich in der Praxis wenig geändert. Die ganze Geschichte mit der Gleichberechtigung halte ich für ein Märchen. Männer fühlen sich äußerst verunsichert durch die – wenn auch praktisch wenig erfolgreichen – Emanzipationsbestrebungen und sträuben sich dagegen. Die Disparität der Geschlechter spiegelt sich im sexuellen Bereich wider.

Und doch gibt es Trends wie die Girlies. Auch wurde nie soviel von Sex geredet, die Zeitungen sind voll davon. Geht Ihre Untersuchung an den Realitäten vorbei?

Im Gegenteil. Gerade dieses Gerede davon ist ja ein typisches Zeichen für die Unbefriedigung. Das ist eine überkompensation, die hier stattfindet.

Wie können Sie als Mann über Männer schreiben, die unfähig sind, Frauen glücklich zu machen?

Die Erzählungen der Patientinnen in meiner Praxis haben mir die Augen geöffent. Früher gehörte ich auch zu der männlichen Masse der Ignoranten. Mit meinem Buch will ich die nötige Kommunikation von Frauen und Männern provozieren. Ich habe als Interpret nur Fakten kommentiert. Ich bin eigentich ein Sekretär oder Stenotypist. Im Grunde haben die 700 Frauen das Buch verfaßt.

Konrad W. Sprai: „Liebe, Lust, Frust. Über die Unfähigkeit der Männer, Frauen glücklich zu machen.“ Holzinger Verlag, Berlin 1995, 220 Seiten, 28 DM.

Interview: Anja Dilk