Bremen soll wegen dicker Luft vor den Kadi

■ Eltern und Robin Wood wollen gegen Benzol- und Rußbelastung vorgehen

Bremen (taz) – Tag und Nacht donnern Laster und Tankwagen durch die Langemarckstraße. Die vierspurige Straße, die die Bremer Neustadt durchschneidet, wird von Einfamilienhäusern mit kleinen Vorgärten gesäumt. Nur 500 Meter entfernt verläuft die nächste Ausgangsschneise für den Schwerverkehr aus Bremen in Richtung Hannover und Oldenburg. Jeder Lkw, der nicht schon auf der Autobahn einen großen Bogen um die Stadt gemacht hat, muß zwangsläufig eine der beiden Routen nehmen.

Das wollen die AnwohnerInnen jetzt ändern. Seit Jahren haben sie vergeblich gegen den Lärm und die Luftverschmutzung ihres Wohnviertels demonstriert. Unzählige Male haben sie an die verschiedenen politischen Koalitionen geschrieben. Alles vergebens. Nun will Dorothee Baldenius-Eichert zusammen mit fünf anderen Eltern und der Umweltschutzorganisation Robin Wood gerichtlich gegen die Stadt vorgehen. Geklagt werden soll gegen Benzol, Dieselruß und Stickstoffdioxid. Der in der Bundesimmissionsschutzverordnung (BimSch) festgelegte Grenzwert für Stickstoffdioxid wird in der Neustadt das ganze Jahr überschritten.

Die Gesundheitsbehörde hatte schon vor drei Jahren das Büro für Verkehrsökologie beauftragt, die Luftverschmutzung dort zu messen. Die Luftprüfer wurden auch beim krebserregenden Benzol fündig: Doppelt soviel wie erlaubt schwebt durch die Neustädter Straßen; auch Dieselruß verpestet in unerlaubter Menge die Wohngegend. ToxikologInnen der Universität Kiel bescheinigten den Neustädter BürgerInnen ein erhöhtes Krebsrisiko. Die WissenschaftlerInnen schätzen, daß von 10.000 BewohnerInnen 22 an Krebs sterben werden. Außerdem werden die dort lebenden Kinder häufiger als in anderen Gegenden an Pseudokrupp oder Bronchitis erkranken.

Die erste Klage in Deutschland gegen die gesundheitsgefährdenden Substanzen richtet sich nach den in der BimSch-Verordnung festgelegten Grenzwerten. Noch hängt die zum Luftschutzgesetz gehörende Verwaltungsverordnung jedoch in Wissmanns Verkehrsministerium fest. Dort läßt man sich Zeit: „Bis Ende 1995 steht zu hoffen, daß sie durch ist“, meint Ministeriumssprecher Volker Mattern. Eigentlich sollten Gesetz und Verordnung schon zum 1. Juli in Kraft treten. Aber der Bundesrat wollte keine Ausnahmeregelung für alle Hauptstraßen zulassen. Jetzt prüft das Verkehrsministerium – und so lange gibt es in Deutschland gar keine Grenzwerte für die gefährlichen Substanzen. Ulrike Fokken