Die werden wie Hunde gehalten

■ Ein Besuch bei den Beamten im Abschiebeknast: „Nazischwein und Arschloch bekommt man hier jeden Tag zu hören.“

Das Wasser des Aquariums, das im sogenannten Sozialraum der Ostertorwache steht, ist eine trübe, blaßbraune Brühe. Die Zierfische, die abwechselnd von den Polizeibeamten versorgt werden, lassen sich nicht blicken. Die meterhohen Fenster des Aufenthaltsraumes stehen sperrangelweit auf. Doch der muffige Geruch, der sich beim Betreten des Gemäuers sofort in den Nasen der BesucherInnen einnistet und sie überallhin begleitet, läßt sich nicht vertreiben.

„Wir lüften den ganzen Tag, aber diesen Geruch kriegt man einfach nicht raus. Das Gebäude ist schließlich über 100 Jahre alt“, entschuldigt sich Dieter Oehlschläger, Leiter des Abschiebeknastes. Erst seit vier Wochen ist er im Amt. „Doch aufgrund der Vorfälle hatte ich schon Gelegenheit, mich gut einzuarbeiten“, sagt er. Mit den Vorfällen meint er vermutlich die fünf Selbstmordversuche von Abschiebehäftlingen binnen drei Wochen.

„Es ist schon ein bißchen trist und trostlos hier“, sagt Oehlschläger über seinen neuen Arbeitsplatz und läßt den Blick durch den Aufenthaltsraum schweifen. Die Wände, die die Beamten vor einigen Jahren beige gestrichen haben, sind mittlerweile schmutzig-gelb. Ein abgeschabtes Sofa steht mitten im Raum. Davor steht ein kleiner Couchtisch. Links daneben ist eine Sitzgruppe aufgebaut. Der hohe Tisch ist mit braunem Kunststoff beschichtet. Am Kopf des Tisches steht das Aquarium.

„Das ist kein angenehmer Arbeitsplatz“, weiß Oehlschläger. 30 Beamte und 14 Angestellte arbeiten in drei Schichten im Polizeigewahrsam. Der Job bei den „Abschiebern“ – wie die Abschiebehäftlinge im Polizeijargon genannt werden – ist alles andere als beliebt. „Die Leute sind schlicht und einfach überfordert“, ist Oehlschlägers Einschätzung. „Abschieber haben nur einen Gedanken: Sie wollen raus. 24 Stunden denken sie an nichts anderes. Sie glauben nicht, was die alles auf die Beine stellen. Neulich hat einer versucht, den Putz in seiner Zelle abzuschaben, um raus auf den Flur zu kommen. Deshalb haben wir hier ein hochsensibles Sicherheitsrisiko. Im Grunde genommen wäre die Abschiebehaft besser bei der Justiz aufgehoben. Die haben erfahrenere Leute und die besseren Knäste. Wir schaffen das nicht.“

Das findet auch der stellvertretende Schichtleiter Helmut Elsen. Seit fünf Jahren arbeitet er in der Ostertorwache. „Ich habe damals gedacht, das wäre ganz interessant. Schließlich hat man mit Menschen zu tun. Ich dachte, das ist mal was anderes.“ Anders ist der Job in der Tat, Elsens anfänglicher Optimismus ist allerdings gewichen. „Ich bin kein Sozialarbeiter“, klagt er. „Die Abschieber tun mir leid. Wenn ich nur einen Tag in diesen Zellen sitzen müßte, würde ich abdrehen. Die werden ja hier wie Hunde gehalten. Aber ich bin dafür ausgebildet worden, Straftäter einzufangen und nicht dazu, Abschiebehäftlinge psychologisch zu betreuen.“ Bei der Frage nach seinem schlimmsten Erlebnis zuckt er mit den Achseln. „Weiß ich nicht mehr. Man stumpft mit der Zeit ab.“

„Manchmal scheint mir, als wird vergessen, daß es hier um Menschen geht“, sagt Oehlschläger und deutet mit der Hand auf die sogenannte Beruhigungszelle. „Hier kommen die Leute rein, wenn sie ausrasten.“ Der Raum ist stockfinster. Die Wände sind schwarz, die gewölbte Decke ist niedrig. Die Zelle hat kein Fenster. Die Luft ist so stickig, daß das Atmen schwerfällt. Eine schwarzgestrichene Pritsche aus Holz ist das einzige Mobiliar. Bekommen die Häftlinge hier nicht eher Platzangst anstatt sich abzuregen? „Sie werden lachen, die beruhigen sich tatsächlich“, erwidert Oehlschläger und geht hinaus auf den Zellentrakt. „Das ist eine normale Zelle“, sagt er und öffnet die Tür. In der Zelle stinkt es erbärmlich. Ein Gemisch von Schweiß, Zigarettenqualm, Urin und Scheiße raubt einem fast den Atem. Zwei Etagenbetten stehen dicht nebeneinander. Klo und Waschbecken sind nur durch eine dünne Sperrholzplatte abgetrennt. „Wenn ich nur einen Tag hier verbringen würde, ich würde durchdrehen“, gibt Oehlschläger zu. Daß die Beamten den Häftlingen gegenüber ausfallend werden, hält er „für möglich“. „Schließlich platzt jedem mal der Kragen.“ Ansonsten sei das Verhältnis aber „eher herzlich“.

„Wir flippen nicht aus. Wir bleiben ruhig“, versichert sein Stellvertreter Uwe Frenzel. „Man legt sich nach einer Weile ein dickes Fell zu“, sagt er. Seit 15 Jahren arbeitet der gelernte Maler, Lackierer und Polizist nun schon im Polizeigewahrsam. Und das ist wahrlich „kein leichter Job“. „Nazi-Schwein und Arschloch bekommt man hier jeden Tag zu hören“, erzählt er. „Afrikaner sind aggressiver“, fährt Frenzel fort. „Asiaten sind angenehmer. „Die sind es wohl von zu Hause aus gewohnt umgänglicher zu sein“, vermutet Frenzel. Die „Abschieber“ hätten ihn auch schon angegriffen. „Mal einen Faustschlag. Mal hab' ich die Brille verloren. Aber genau weiß ich das nicht mehr. Ich hab' das verdrängt. Das muß man auch“, sagt er und wirft einen Blick aus dem Fenster. Über seine schlimmsten Erlebnisse im Abschiebeknast will er nicht reden. „Die Brandanschläge der letzten Zeit waren am schlimmsten. Einmal war ich dabei. Aber ich sage nichts dazu, da läuft noch ein Ermittlungsverfahren.“ Frenzel schweigt. „Sowas läßt einen auch nicht kalt“, sagt er nach einer kurzen Pause. „Aber viel ändern kann man nicht. Das liegt einfach am System.“ kes