■ Das Portrait: Oberste Schwedin
Aus Grau wird Rot. Zumindest was die Haarfarbe angeht. Doch auch was die Präsentation der Politik betrifft, können sich die SchwedInnen auf einen deutlichen Wechsel an der Regierungsspitze einstellen. Den betulichen, grauen Frührentner Ingvar Carlsson, der jetzt seinen bevorstehenden Rücktritt als Schwedens Ministerpräsident bekanntgab, wird eine kurzhaarige, scharfzüngige 38jährige ablösen, angesichts deren Wirtschaftsbosse schon jetzt rotsehen. Mona Sahlin, derzeit Gleichstellungsministerin und vom Vorgänger bereits im letzten Jahr auf dem Posten seiner Stellvertreterin geparkt, dürfte Schwedens erste Ministerpräsidentin werden.
In ihrer eigenen Partei ist sie nicht unumstritten. Klare Favoritin ist Mona Sahlin hingegen bei den WählerInnen. Ihre ebenso deutliche wie bildhafte Sprache, eingängige Botschaften und im politischen Geschäft noch nicht ganz verlorengegangene Reste spontaner Mitmenschlichkeit machen sie zur ersten Wahl. Sie schämt sich nicht ihrer Tränen, wenn sie über Grausamkeiten gegen Frauen und Mädchen in China spricht, die sie nächsten Monat in Peking anprangern will, und bricht einen Staatsbesuch in Israel ab, weil man ihr Kontakte zu PalästinenserInnen verweigert. „Mangelnde internationale Erfahrung“ heißt das dann in den Medien und „fehlendes Fingerspitzengefühl“. Eine „Staatsmännin“ ist aber auch das, was sie am allerwenigsten werden möchte.
Mona Sahlin Foto: rtr
Ob sich allerdings auch die politischen Inhalte ändern werden, erscheint eher fraglich. Ein Zurück zum gelobten schwedischen Wohlfahrtsstaat steht nicht auf ihrem Programm. Der Weg durch Partei- und Regierungsämter hat ihr viel von dem Schwung genommen, mit dem sie einst als 16jährige in die Führungsspitze der JungsozialistInnen gedrängt hatte. Mit 25 zog die „rote Mona“ in den Reichstag ein und wurde mit 34 Jahren Ingvar Carlssons Arbeitsministerin. Von den Konservativen als links verteufelt, pendelt sie tatsächlich eher in der Parteimitte: mal die „Betonschädel“ in der eigenen Partei verdammend, mal aber auch gegen den Egoismus der Gewerkschaften wetternd.
Viele, die in ihr jedoch vor Jahren noch die linke Wunschkandidatin gesehen hatten, zeigen sich mittlerweile enttäuscht: Die von der Partei dringend benötigte Visionärin einer neuen Politik ist sie nicht. Aber das ist von der Vorsitzenden einer schwerfälligen sozialdemokratischen Partei wohl auch kaum zu erwarten. Reinhard Wolff
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