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Gegen das Stigma Bremerhaven

■ Senator und Wirtschaft im Streit über den richtigen Ort des Häfen-Ressorts

Sollte das Häfenressort nach Bremerhaven umziehen oder nicht? Der Fall erhitzt die Gemüter, gestern waren einige der Kontrahenten vor die landespressekonferenz geladen: „Heinz-Werner Abtmeyer, Geschäftsführer des Bremer Reedervereins („ein Schildbürgerstreich“), Dr. Gerhard Fricke, Industrie- und Handelskammer Bremerhaven („Wir begrüßen es immer, wenn in Bremerhaven Arbeitsplätze geschaffen werden“) und Dr. Andreas Otto, Handelskammer Bremen („Der gedankliche Ansatz ist falsch“). Kurzfristig nachgemeldet als Teilnehmer der Pressekonfertenz hatte sich Senator Uwe Beckmeyer, der meinte, wenn diese Skeptiker 1825 das Sagen gehabt hätten und nicht Bürgermeister Smidt, dann wäre es zur Gründung Bremerhavens nicht gekommen. Von den ideal gelegenen Räumen des Hauses der Kreishandwerkerschaft könne man Besuchern die Häfen un die Weser zeigen – das sei ein anderer Anblick als der aus dem Fenster der BLG auf den Überseehafen, der bald zugeschüttet werde.

Zur Sache gab es derweil keine Differenzen: Rein politische Motive, so erklärte Beckmeyer, sprechen für den Umzug des Häfenressorts. Der Abzug der US-Army hat Bremerhaven viele Dienstleistungs-Arbeitsplätze gekostet, durch das Ressort würden 90 Arbeitsplätze dorthin verlagert. Die Präsenz des Ressorts könne die „Lagegunst“ Bremerhavens verstärken und der Seestadt das Stigma nehmen, nur „verlängerte Werkbank Bremens“ zu sein.

Die Gegenargumente sind wirtschaftlicher Natur: die Geschäftsleitungen sitzen in Bremen-Stadt, sagt Reederei-Vertreter Abtmeyer. Eigentlich sei man ja dafür, daß das Wirtschafts- und das Häfenressort zusammengelegt werden, bekannte Bremerhavens IHK-Vertreter Fricke – und wenn das nach der nächsten Wahl 1999 so komme, könne das Häfenressort ja wieder nach Bremen zurückverlegt werden. Der Umzug sei für ihn „eben auch ein Experiment“, die 90 Arbeitsplätze wären kurzfristig für Bremerhaven aber „eine erhebliche Verbesserung“.

Die Handelskammer hat ihre möglicherweise betroffenen Mitglieder befragt und herausgefunden, daß „nicht davon auszugehen ist, daß eines nach Bremerhaven mitzieht“, sagte Kammer-Geschäftsführer Otto. „Vor Ort sein“ heiße „in Bremen sein“.

Selbst die landeseigene Bremer Lagerhaus-Gesellschaft (BLG) denkt nicht daran, mit ihrer Zentrale nach Bremerhaven umzuziehen. Das für den Containerverkehr zuständige Vorstandsmitglied hat sein Dienstzimmer dort, auch der Arbeitsdirektor – immerhin sind von 2450 Malochern 1450 in Bremerhaven beschäftigt. Bei der kaufmännischen Verwaltung sieht es aber umgekehrt aus – von 750 Mitarbeitern mit „weißem Kragen“ sitzen 500 in Bremen. Und das wird so bleiben, sagt BLG-Sprecher Weil, „weil wir in Bremen die Masse der Kontakte haben: die Spediteure sitzen hier, die Schiffsmakler, die Reeder.“ Die BLG denke „betriebswirtschaftlich nüchtern“.

Ein Doppelressort „Wirtschaft“ und „Häfen“ an zwei Standorten wäre für Beckmeyer kein Problem, auch derzeit leitet er ja das Arbeitsressort mit Sitz in Bremen. Auch der Umzug des Häfenressorts wäre für ihn dabei nicht undenkbar – man müsse „den ersten Schritt erstmal gehen“, wehrte er eine entsprechenden Frage ab. Mit nach Bremerhaven umziehen sollen die Abteilungen, die für Außenwirtschaft und für den „überregionalen Verkehr“ zuständig sind – insbesondere auch für den Schienenverkehr und den Bremer Flughafen.

Wieviel der Umzug kostet und wie er abgewickelt werden könnte, das soll der Senat am 29.8. beschließen. Umzugstermin „Ende 1995“ wäre Beckmeyers Wunsch. Schon vor 14 Tagen hatte er eine Beschlußvorlage im Rathaus auf den Tisch gelegt – aber wieder einsammeln müssen. K.W.

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