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Rumäniens Schrottmeiler vor Betrieb

Nach 16 Jahren Bauzeit will Rumäniens staatlicher Energiekonzern Renel das erste AKW in Betrieb nehmen. Die vorgeschriebenen Katastrophenschutzübungen laufen schon  ■ Aus Bukarest Keno Verseck

Die Bewohner des Städtchens CernavodÛ leben mit der Apokalypse auf Abruf. Von Zeit zu Zeit wird sie ausgelöst. Dann heulen im Städtchen die Sirenen, Soldaten in Gasmasken sperren Straßen und Ausfahrten. Am Ende teilt ein Sprecher aus dem Radio mit: „Die Situation ist unter Kontrolle. Keine Gefahr für die Bevölkerung.“

So geschah es auch am letzten Freitag. Im südostrumänischen CernavodÛ steht das rumänische Atomkraftwerk. Im Dezember dieses Jahres soll der erste von fünf Reaktoren ans Netz gehen. Die periodischen Katastrophenschutzübungen, bis hin zur Evakuierung der 40.000 Bewohner im Ort, sind Pflicht. Ohne sie bekommt das Atomkraftwerk keine Betriebsgenehmigung der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEO) aus Wien.

Was bisher nur Spiel war, könnte bald Realität werden. Denn das Atomkraftwerk CernavodÛ macht immer wieder negative Schlagzeilen, noch bevor überhaupt ein Reaktor in Betrieb genommen werden konnte. Der Präsident der kanadischen Atomenergieagentur zum Beispiel kritisierte im März bei einem Besuch in Rumänien, daß der Betreiber des Atomkraftwerkes, der staatliche Energiemonopolist Renel, die Sicherheitsnormen häufig nicht ernst nehme und umsetze.

Solche Kritik ist in den vergangenen fünfzehn Jahren Bauzeit fast alltäglich geworden. Ende der siebziger Jahre ordnete der Diktator Nicolae Ceaușescu die Verwirklichung eines gigantischen Atomenergieprogrammes in Rumänien an.

Ceaușescus Traum waren 16 Atommeiler – als Standort für den ersten wurde CernavodÛ ausgewählt, gelegen am Beginn des Donau-Schwarzmeer-Kanals in der südostrumänischen Dobrudscha: eine potentielle Erdbebenzone. Die Technologie dafür liefert Kanada, insgesamt fünf Reaktoren des Typs Candu-6, der mit rumänischem Natururan bestückt wird.

Die Arbeiten am Atomkraftwerk verliefen unter Ceaușescu mit derart krimineller Schlamperei, daß die Kanadier im Herbst 1989 aus dem Projekt aussteigen wollten. Der Sturz Ceaușescus im Dezember 1989 kam dazwischen. Nach kurzer Unterbrechung setzte Rumänien jedoch 1990 die Pläne des gestürzten Diktators fort. Zwar verbesserte Renel die technischen Standards bei den Bauarbeiten. Doch allzuviel hatte sich nicht geändert, wie die Kritik der Kanadier im März zeigte. So sind in den letzten Jahren immer wieder Spezialisten, die in CernavodÛ arbeiteten, von ihren Posten abgesetzt worden, laut Presseberichten, weil sie Schlampereien bei Bauarbeiten und Sicherheitsvorkehrungen kritisiert hatten.

Ursache dafür waren und sind unter anderem die Finanzprobleme des rumänischen Staates. Bisher sind rund 2,2 Milliarden Dollar investiert worden. Währ- end der erste Reaktor bereits Ende Mai mit Brennelementen bestückt wurde und demnächst erstmals probelaufen soll, ist die Weiterführung der Bauarbeiten am zweiten Reaktor völlig ungesichert. Zwischen 700 und 800 Millionen Dollar soll seine auf das Jahr 2000 veranschlagte Fertigstellung kosten. Für die anderen drei Reaktoren steht die Finanzierung in den Sternen. Eine Folge der Unsicherheit: Dutzende Spezialisten sind bereits abgewandert, die verbleibenden werden schlecht bezahlt.

Trotz allem träumt die rumänische Regierung die größenwahnsinnigen Pläne des Diktators weiter. Irgendwann im Jahre 2030, heißt es stolz, werde das Atomkraftwerk CernavodÛ 50 Prozent des rumänischen Energiebedarfes produzieren und außerdem noch Strom exportieren können.

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