■ Querspalte: Im Osten war's echt Scheiße
Herr Koschyk, Herr Ortleb, Sie beide wollen „einer Verklärung der DDR entgegenwirken“. Sie werden namens CDU/ CSU und „FDP“ (is'n das?) bei Eppelmännchens Enquetekommission eine „Langzeitstudie“ beantragen, die ein „realistisches Bild der seinerzeitigen Situation“ zeichnen soll, das so richtig schön Scheiße ist, auch um „die Leistungen der Menschen unter den repressiven Bedingungen der SED-Diktatur besser zu würdigen“. Da bin ich natürlich immer dafür, also erzähle ich kurz, wie es wirklich war.
Es war eine schlechte Zeit, klar. Ich bekam öfters mal eins, zwei, fünf aufs Maul, weil meine Physiognomie dafür wie geschaffen schien. Meist betäubte ich den Schmerz mit Überdosen von Salmiakpastillen und Lakritzstangen, bis die auch verboten wurden. Mein Mitschüler Frank Hensel gab sich einmal während einer Freistunde zehn Pack jener tollen gelben Hustentabletten. Ich bewunderte ihn, weil man dafür unheimlich tough und blöde sein mußte. Kaum hatte der Unterricht begonnen, strich aus seiner Richtung ein Aroma durch den Raum. Er hatte die ganze Pharmazie plus Bananenmilch wieder ausgepackt, mitten auf den Tisch. Er saß starr in seiner Bank und grinste. Cool.
Uwe Papenfuß dagegen war knorke. Er entnahm zu Hause 100 DM, die er mit mir (so muß es sein) im Intershop gegen Duplo, Granini und Matchbox-Autos (Superfast!!!) einwechselte. Ich bekam fünf „Matcher“ und schwieg. Der Deal flog auf, und wir wurden erschossen. Uwe warf später einmal mit einer soeben in Benutzung gewesenen, vor Hygiene triefenden Klobürste nach der SED in Gestalt von Frau Werner, unserer Russisch(sic!)lehrerin. Er traf ein unschuldiges Kind in der letzten Reihe. Tragisch. So isolierte sich die Opposition selbst.
Das war die Wahrheit, Herr Koschyk, hoffentlich hilft's. Geht ja nicht an, daß welche sagen, Honecker hat die Autobahnen gebaut und mit den Kommunisten aufgeräumt. Hätter man, sach ich, hätter man, dann kämen wir heute schneller nach Bottrop. André Mielke
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen