: Ein Hoch auf die Hochöfen -betr.: "Hochofen als Müllverbrennungsanlage", taz vom 21.8.1995
Betr.: „Hochofen als Müll-Verbrennungsanlage“, taz vom 21.8.
Lieber Klaus Wolschner, ich stimme Dir ja voll zu, daß die abfallpolitischen Maßnahmen des grünen Umweltressorts im Ergebnis gar nicht so schlecht sind. Und die BEB, wenn auch nicht unbedingt die Speerträger der Müllrevolution, haben das meiste auch ganz ordentlich umgesetzt. Auch wenn jetzt einige Leute an einer allerliebsten Dolchstoß-Legende häkeln, Strickmuster: die ökologischen Experimente der grünen Spinner waren und sind schuld an den jetzigen Gebührenerhöhungen.
Daß Du aber ausgerechnet die Klöckner-Verbrennung als Paradebeispiel für fortschrittlich-ökologische Müllpolitik verkaufst, hat mir endlich mal klar gemacht, wie sehr ich mich doch mit meinen altmodischen Vorstellungen vom Abfall-Zeitgeist entfernt habe.
Mein Haupt-Denkfehler: Recycling und Wiederverwertung (denn da drunter läuft ja die Klöckner-Veranstaltung) sollte nicht nur den Müll, sondern vor allem auch den im Verhältnis vielfachen Energie- und Rohstoffverbrauch samt zugehöriger Industrieabfälle bei der Primärproduktion reduzieren – bei DSD-Müll z.B. erreichbar über intelligente, standardisierte, dezentrale Mehrwegsysteme.
Nouvel-Recycling geht dagegen so: Durch die Verbrennung von Daimler-Lackresten produzieren wir gleichzeitig den Stahl für die dringend benötigten Edelblechhaufen. Und die dürfen jetzt guten Gewissens weiterhin so erotisch glänzen. Das nützt Daimler, Klöckner und der Lackindustrie. Daß diese Abfälle möglicherweise durch Pulverlackierungen vermeidbar wären, hat uns vielleicht früher mal interessiert.
Übrigens: Das Öko-Institut Darmstadt hat bei Klöckner lediglich begutachtet, daß das Hochofen-Verfahren genauso „toll“ ist wie die Hydrierung von DSD-Müll. Das sagt ökologisch ungefähr genausoviel aus, wei wenn man taz und Weserkurier anhand ihrer Papierqualität vergleicht.
Erst richtig ein Licht ging mir aber angesichts der Überlegungen auf, bei Öko-Klöckner auch Haushalts-Restmüll zu verbrennen. Restmüll? Falsch! In dieser schönen neuen Abfallwelt gibt es eben nur noch „Wertstoffe“, weil ja alles thermisch oder rohstofflich oder wie auch immer „verwertet“ wird! Und die Produktion, ob nun Verpackungen oder Autos, kann nachhaltig weiterlaufen. Mit solchen Modellen vor Augen kriegt unsere neue Regierung Bremen bestimmt saniert! Also: ein dreifaches Hoch auf die Hochöfen! Klaus Prietzel, Recycling-Hof Findorff
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