: Kampf der Taube
Ein Stadtrat will Ernst machen: In Kreuzberg soll eine neue Pille den Taubenbestand endlich reduzieren ■ Von Kerstin Schweizer
Für die Ägypter waren sie die Verkörperung der Seele. Bei den Griechen das Symbol der Fruchtbarkeit. Für Berliner sind sie hauptsächlich eines: lästig. In der Beliebtheitsskala nur knapp hinter kotenden Hunden rangierend, bevölkern Tauben in aufgeplusterten Schwärmen die Plätze und Straßen der Innenstadt. Das ist Mist, denn jede Taube kleckst im Laufe eines Jahres zehn bis zwölf Kilo Kot auf Straßen und Gebäude. Und der ist ätzend und frißt sich, wenn man nicht gerade hineintritt, in Fassaden und Metallkonstruktionen. Wild hingestreutes Futter lockt Ratten an, und das Risiko einer Krankheitsübertragung existiert vor allem, wenn sich die Vögel vor Kindergärten oder Altenheimen breitmachen. Auch den Tieren tut man keinen Gefallen, denn das übergroße Nahrungsangebot macht ihre Schwärme unnatürlich groß, die Tiere leiden unter sozialem Streß, und ihre Brutplätze verdrecken.
Im Umwelt- und Gesundheitsamt Kreuzberg entsteht jedes Jahr aufs neue eine Akte mit Beschwerdebriefen genervter Bürger. Man will das Federvieh loswerden. Doch die Geschichte des Kampfes gegen die Tauben ist lang und erfolglos.
Die erste Anti-Tauben-Aktion wurde in den frühen siebziger Jahren gestartet. Blausäurehaltige Köder rafften Tausende hinweg. 1976 holte man zum zweiten Schlag aus und warf ihnen die erste Taubenpille namens Busolfan zum Fraß vor, die jedoch, nachdem die Tiere teilweise qualvoll verendeten, 1988 wieder verboten wurde. Die erste wie auch die zweite Kampagne erwiesen sich als völlig nutzlos. Nun soll ein dritter Versuch ab Anfang September den durchschlagenden Erfolg bringen.
In Kreuzberg leben nach Schätzungen des Umwelt- und Gesundheitsamtes um die 6.000 Tiere. „Das sind 50 Prozent zu viel“, findet Stadtrat Gerhard Engelmann (CDU). Sein Konzept beinhaltet eine Vielzahl von Maßnahmen: Das beginnt mit der Domestizierung der wilden Fütterer, die mit kiloweise hingestreutem Futter die Taubenschwärme mästen. Das geht weiter mit der Ansiedlung von Falken, die den Tauben das Leben ungemütlich machen sollen. Und es hört auch noch nicht auf mit neu aufgestellten Brutkästen, in denen die Eier gegen Gipsplacebos ausgetauscht werden.
Hinzu kommt als neue Wunderwaffe die in dreijähriger Forschungsarbeit entwickelte erste tierschutzverträgliche Anti-Tauben-Pille. Die maiskorngroßen Kugeln sollen drei Monate im Taubenmagen bleiben und langsam ihre Hormone abgeben. Die Pillen vermindern die Fruchtbarkeit sowohl bei den männlichen wie auch bei den weiblichen Tieren. „Die Zusammenarbeit mit Tierschutzverbänden und erfolgreich durchgeführte Testreihen gewährleisten, daß das Präparat für die Tauben absolut unschädlich ist“, versichert Engelmann.
Das Futter läge auch schon zum Verzehr ausgebreitet, wäre da nicht noch ein Haken. Bisher sind die Pillen noch handgedreht, denn die Großproduktion konnte wegen mangelnden Geldes nicht anlaufen. Obwohl die anderen Bezirke mit großem Interesse auf den Ausgang des Kreuzberger Versuches blicken und auch manch ein Hausbesitzer Hoffnungen hegt, hielten sie sich mit Investitionen bislang vornehm zurück.
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