: Reine Gleichstellungskosmetik
In Frankreich gibt's kaum Frauen auf wichtigen Posten ■ Aus Paris Anna Maria Merlo
Die Berufung von zwölf Frauen in das Kabinett von Alain Juppé, der ersten Regierung unter der Präsidentschaft Jacques Chiracs, und die Kandidatur von zwei Frauen – der Grünen Dominique Voynet und der „Trotzkistin“ Arlette Languiller, läßt auf den ersten Blick den Eindruck einer starken Stellung des „schwachen“ Geschlechts in Frankreich entstehen – eine geradezu unerhörte Entwicklung, die Frankreich an die Seite der auf diesem Gebiet besonders weit entwickelten Ländern wie Schweden, Dänemark und Holland stellt.
Doch man muß nur etwas hinter die Kulissen schauen, um zu erkennen, daß die Wirklichkeit anders aussieht. So etwa nimmt die wichtigste Ministerin (Elisabeth Hubert, Gesundheitswesen) in der protokollarischen Hierarchie erst den zwölften Rang ein. Von den zwölf Kabinettsmitgliedern sind auch nur vier in einem echten Ministerrang, die anderen bekleiden den eines Staatssekretärs.
Realiter schließt die Politik in Frankreich Frauen noch immer aus. Der Prozentsatz weiblicher Abgeordneter hat im Abgeordnetenhaus sechs Prozent nie überschritten, im Senat ist er noch niedriger. In den großen Aktiengesellschaften und öffentlichen Unternehmen findet sich normalerweise keine Frau an führender Stelle. Im Pressewesen dauerte es nach der Berufung von Françoise Giroud in die Leitung des Nouvel Observateur Jahre, bis es eine weitere Berufung dieser Art gab: die des Fernsehstars Christine Ockert, der Frau eines ehemaligen Ministers, an die Spitze von L'Espress.
Die Rückkehr der Rechten an die Macht verheißt da auch nicht viel Gutes. Im Gegenteil. Die ersten Schritte der Regierung lassen eher Betrübliches ahnen. So hat die Ministerin für „Solidarität zwischen den Generationen“, die Gaullistin Colette Codaccioni, bereits einen Gesetzentwurf vorgelegt, der auf eine Art „Hausfrauengehalt“ zielt. Und dazu dienen könnte, Frauen, zumindest ab dem ersten Kind, vom Arbeitsmarkt fernzuhalten. Auch über eine Reform des Abtreibungsrechtes gibt es in der Regierung Juppé bereits Überlegungen in Richtung Einschränkung. Jacques Chirac selbst hat zwar seine 31jährige Tochter Claude an die Spitze seines Amtes für Öffentlichkeitsarbeit berufen, doch ansonsten zeigt er wenig Neigung, durch eine Verfassungsänderung die Gleichheit der Geschlechter per Gesetz festzulegen, so wie das sein liberaler Gegner Balladur versprochen hatte.
Das Problem dabei ist, daß auch die vorangegangenen 14 Jahre sozialistischer Präsidentschaft nicht viel zur Überbrückung des Grabens zwischen Männern und Frauen beigetragen haben. Trotz der kurzen, im übrigen nicht gerade glücklichen Episode von Edith Cresson an der Spitze der Regierung hat auch die sozialistische Epoche nicht die vorher großspurig versprochene „Änderung des Lebens“ mit sich gebracht.
So hielt sich François Mitterrand weder an das Versprechen einer „Vervielfachung der Kindergärten“ noch an das, diie „Diskriminierung der Frauen bei der Arbeit“ zu beseitigen. Die Einkommen von Frauen liegen noch immer 30 Prozent unter denen der Männer. 1992 hatte Mitterrand sogar ein eigenes Ministerium für die Rechte der Frauen eingerichtet und mit einer Feministin besetzt, Yvette Roudy. Doch die von ihr beschlossenen Frauenquoten auf Wahllisten mißbilligte Mitterrand höchstselbst. Und auch ein kürzlich unternommener weiterer Vorstoß der Anwältin Giselle Halimi in dieser Richtung, der im Parlament auch durchkam, wurde vom Verfassungsgerichtshof abgeschmettert; man könne die Wähler „nicht in Kategorien unterteilen“. Womit alles beim alten bleibt.
Dennoch ist Veränderung spürbar – zumindest im Volk. Trotz der eher unglücklichen Erfahrung mit Edith Cresson haben jüngst 84 Prozent der Franzosen erklärt, sie könnten sich eine Frau als Staatspräsidentin durchaus vorstellen.
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