: Sonnenfinsternis im Senat
■ Der Bausenator gibt sich als Sonnengott, doch eine wirkliche Förderung der Solarenergie gibt es nicht. Die kostendeckende Produktion von solarerzeugtem Strom scheitert am Wirtschafts- und Finanzsenator
Über dem Wahlkampf der SPD soll die Sonne scheinen: Die Fördermittel für Solaranlagen sollen in den kommenden beiden Jahren von jetzt 5,5 Millionen Mark auf 10 Millionen Mark aufgestockt werden, verkündeten stolz Bausenator Wolfgang Nagel und der umweltpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Holger Rogall. Die Verdoppelung der Fördermittel wird aus dem „Modernisierungs- und Instandsetzungsprogramm“ der Bauverwaltung umgeschichtet.
Außerdem soll noch vor der Wahl zum Abgeordnetenhaus eine „weltweit einmalige Solaranlagenverordnung“ verabschiedet werden, die Bauherren verpflichtet, bei Neubauten 60 Prozent des Warmwassers aus Sonnenwärme zu erzeugen. Die „Solarinitiative Berlin“, so die SPD-Politiker, soll „das solare Bauen durchsetzen“ und die Bundeshauptstadt zur Vorreiterin bei der Nutzung der Solarenergie machen.
Die Realität sieht anders aus. In den Neubaugebieten Karow-Nord und Altglienicke stehe nicht einmal eine Solarstromanlage oder ein Sonnenkollektor, kritisieren die Grünen Hartwig Berger und Elisabeth Ziemer. Vor allem aber wird die jetzt geplante Solaranlagenverordnung überschattet vom allgemeinen Stillstand beim Thema Solarenergie in der Großen Koalition. Denn eine kostendeckende Bezahlung von privat erzeugtem Sonnenstrom, den das Abgeordnetenhaus in einem Beschluß aus dem November 1994 gefordert hatte, ist in weite Ferne gerückt. Eine bereits durch Wirtschaftssenator Norbert Meisner (SPD) abgeschwächte Form dieser Maßnahme, von der sich Umweltschützer und Sonnenfans den Durchbruch für die Solarenergie erhoffen, scheiterte am Veto von Finanzsenator Pieroth (CDU): Das Geld werde in der Haushaltskasse des Senats gebraucht, heißt es.
Wer sich heute eine Solaranlage aufs Dach setzt, zahlt für die Kilowattstunde Strom zwischen 1,50 und 2 Mark. Aus der Steckdose kommt der Strom allerdings für rund 25 Pfennig. Um das auszugleichen und der Solartechnik einen wirtschaftlichen Schub zu geben, fordern Grüne und Umweltverbände die sogenannte „kostendeckende Einspeisevergütung“ für Solarstrom: Dem privaten Produzenten wird der Preis erstattet, den die Herstellung des Stroms kostet.
Für Arno Paulus vom „Verein zur Förderung der Solarenergie in Verkehr und Sport e.V.“ ist das ein Weg zum Durchbruch der Technik: In einer Stadt mit 3,6 Millionen Einwohnern gebe es ein „Riesenpotential“ an möglichen Solaranlagenbetreibern, meint Paulus. „Eine massenhafte Nachfrage nach Solaranlagen läßt die Preise purzeln.“ Beliebtes Argument dafür ist das Beispiel der Windkraftanlagen: Nach der kostendeckenden Einspeisevergütung boomen die Windmühlen an den deutschen Küsten.
Den UN-Klimagipfel in Berlin vor Augen, beschloß das Abgeordnetenhaus im November 1994, eine solche kostendeckende Einspeisevergütung auch für die Solarenergie einzuführen. Die Kosten sollten auf den Strompreis umgelegt werden und zu einer Erhöhung von „ein bis zwei Prozent“ führen, meint Berger.
Doch die Wirtschaftsbehörde wollte davon nichts wissen: „Das falsche politische Signal“, nannte Staatssekretär Hans Kremendahl (SPD) den Vorschlag. Zu groß sei die Bedeutung des ohnehin hohen Strompreises für den Wirtschaftsstandort Berlin. Mit der Bewag handelte Wirtschaftssenator Meisner dennoch einen Plan zur Subventionierung der Sonnenenergie aus: Private Solaranlagen sollten von der Bewag für zehn Jahre kostendeckend gefördert werden. Geld für diese Maßnahme sollte ein 6-Millionen-Topf bringen, der aus der jährlichen Konzessionsabgabe der Bewag an das Land (1995 etwa 140 Millionen Mark) gefüllt werden sollte.
Eine schlechte Lösung, schimpft Berger: Erstens sei es ein Topf, der bald ausgeschöpft ist, zweitens sei das wieder eine „Subvention durch die öffentliche Hand und bringe dem Land höhere Verschuldung“, und drittens sei all dies ein „elender bürokratischer Aufwand“.
Doch auch aus diesem bereits abgespeckten Vorschlag von Meisner wurde nichts: Er zerschellte am Veto seines Kollegen Elmar Pieroth (CDU). Der Finanzsenator monierte, der Landeshaushalt könne die geplante Mindereinnahme von 6 Millionen nicht vertragen. Für die leeren Kassen Berlins sei jeder Pfennig aus der Konzessionsabgabe bereits dringend eingeplant. Außerdem entspreche eine solche Subvention nicht den Grundsätzen einer transparenten Haushaltsführung. Bernhard Pötter
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