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Klein Chamberlain beim Trockenschwimmen

■ betr.: „Militärschutz? – Lieber eva kuieren“, taz vom 24.8.1995

Jürgen Trittins Zynismus gleicht dem „Realismus“ eines Franz Josef Strauß im Umgang mit den Pinochets dieser Welt. Faschistische Landnahme sei nicht zu ändern, weil dazu Gewalt erforderlich wäre. Deshalb müsse Karadžić und seinen Freikorpsführern das Sudetenland – pardon: Srebrenica und Goražde – selbstverständlich zugestanden werden. Spinner diejenigen, die nach dem Völkerrecht fragen!

Schutzzonen, meint der grüne Friedenstauber, seien ja nur mit Waffengewalt zu halten. Perverse Folgerung: Dann müssen eben Hunderttausende von Haus und Hof vertrieben werden. Die dürfen sogar – schließlich ist man ein anständiger Mensch! – in der Bundesrepublik Aufnahme finden. Ein weltferner Träumer aber, wer auf Menschenrechte pocht!

Konkrete Hilfe bei pazifistischer Schieflage bringt wieder einmal die V2 des Antimilitarismus, die Wunderwaffe Embargo. Ein paar Zollbeamte, glaubt der grüne Oberdummbatz, könnten die Grenzen dichtmachen. Zitieren wir einen intelligenteren Friedensfreund, Egon Bahr, aus der taz vom 25.7.: 500.000 bis 800.000 Mann brauche ein wirksames Embargo – wohlgemerkt in olivgrünen Uniformen mit Schießgewehren. Die dann auch „Bumm!“ machen. Ist Trittin für die Ausweitung des Krieges?

Fazit: Solche Außenpolitik bleibt hoffentlich für immer eine grüne Trockenübung, denn sie brächte tausend faschistische Sumpfblüten zum Blühen. Es ist Pazifismus in der dreckigsten Gestalt: Man selbst kommt in den Himmel, die anderen kommen ins Lager. Mich erinnern die Ratschläge dieser Prinzipienreiter fatal an Gandhis Empfehlung an die Juden im Dritten Reich, doch bitte kollektiv Selbstmord zu begehen. Dr. Klaus Jarchow, Bremen

Abgesehen von dem „wirklich praktikablen Vorschlag“, Völkerscharen aus dem ehemaligen Jugoslawien zu evakuieren, reduziert sich die Position Trittins auf die simple Frage: „Wie viele Tote muß es noch geben, um endlich in Bosnien wirksam einzugreifen?“ Und geschickt zitiert er seinen linken Kontrahenten Gregor Gysi, der da sagt, er wäre für eine militärische Intervention, wenn es denn nützen würde. Damit verdeckt Trittin natürlich seine eigene Position. Wo klar ist, daß es Trittin nicht um Gesinnungspazifismus geht, muß der Rechenschieber nachhelfen. Ab wann rechnet es sich, doch noch militärisch einzugreifen? Zur Zeit jedenfalls scheint ihm das nicht opportun, obgleich er wortreich die „Schaffung eines ungerechten Krieges“ beklagt, bei dem halt die „multikulturelle Gesellschaft“ von Sarajevo leider, leider auf der Strecke bleibt.

Und sind ihm, Trittin, die Kroaten nicht hilfreich zur Seite gesprungen, so daß er außer acht lassen kann, daß eindeutig die Serben der hauptsächliche Aggressor sind? Und die Großmächte, die die UNO dominieren. Ach ja, da gäbe es noch die Möglichkeit des konsequenten Boykotts. Vor drei, vier Jahren wäre dies noch sinnvoll gewesen. Jetzt aber ist es zu spät. Außerdem hat der beklagte Waffenboykott durchaus Wirkung gezeigt gegen die schlecht bewaffneten Moslems!

Aber ich glaube kaum, daß diese Polemik Jürgen Trittin derzeit beeindruckt. Er sollte sich daher vielmehr folgendes Zitat des International Peace Center Sarajevo, Juli 1992 (veröffentlicht auf Seite 32 des Internet-Magazins des Arbeitskreises Jugoslawien an der Uni Trier) gut durchlesen. Dort heißt es u.a.: „Wir erinnern, daß der respektable französische Philosoph Bernhard-Henri Levy, der Sarajevo besucht hat, mit den BürgerInnen aller sozialen Gruppen gesprochen und daraus gefolgert hat, daß eine Militärintervention notwendig ist. Sie ist notwendig, weil dies kein klassischer Krieg mit zwei militärischen Mächten ist, sondern ein Massaker!“ Und in Richtung humanitärer und politischer Unterstützung von außen heißt es: „In solch einer Situation, wo wir zwischen Überleben und Militärintervention wählen müssen, wählen wir die letztere. Denn wenn es keine Macht gibt, die zurückschlagen kann auf diese, die uns überfallen hat, werden Sie uns Särge als humanitäre Hilfe liefern müssen.“ Richard Pestemer, Neunkirchen

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