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Fünf Bärte über Deutschland

■ Der offizielle „Dubliners“-Tourfilm kommt aus Bremen/ Heute abend Premiere im Kino 46

Langsamer Schwenk über eine malerische Bucht. Sanfte Überblendungen erlesener Stadtbilder in goldenem Gegenlicht. Ein rüstiger Greis im Trench blickt versonnen aufs Meer hinaus. Ältere Männer mit Rauschebärten musizieren vorm Kaminfeuer und im Duett mit jungen Geigenelevinnen. So beginnt weder ein Guiness-Werbeclip, noch ein Dublin-Touriprospekt auf Video, sondern das sind die Anfangssequenzen des Musik-Dokumentarfilmes „The Dubliners in Germany“.

Die Hamburger Konzertagentur Jahnke und die irischen Folkstars „The Dubliners“ haben den Bremer Filmemacher WiIIie Burger mit dieser Auftragsarbeit betraut und er hat sich mit seinem Team und den fünf Iren „on the road“ gemacht. Das Video ist eine 110-minütige Reise von Dublin nach Berlin, quer durch die Republik und dann zurück zur Insel. Willie Burger, seit den frühen 70ern selbst Irish Folk-Aficionado und Musiker, ist seinen Jugendidolen 1993, nach einem Konzert in der „Glocke“ wiederbegegnet und beim anschließenden Umtrunk wurde die Idee eines Tourfilms geboren.

„The Dubliners in concert“, das ist ein lupenreiner Imagefilm geworden, gutgemachtes, solides Handwerk ohne Überraschungen und Brüche. Ein telegenes Souvenir für KonzertbesucherInnen und Fans. All das, nur keine Dokumentation im Sinne von Entdeckungsreise.

Geographische Orientierung auf der Tour geben eingeschnittene Autobahnsequenzen, vorbeihuschende Landschaften und Hinweisschilder. Die Station Berlin, das ist im Bild (natürlich) die Gedächtniskirche, die Siegessäule und der Reichstag. Einchecken im Hotel, und der Soundcheck im Musikzirkus „Tempodrom“, das Abendessen backstage und dann rauf auf die Bühne. Abgehakt. Nächster Take. Über zwanzig Minuten lang kommt man (gut) ohne das gesprochene Wort aus, dann das erste Interview. John Sheahan, der bedächtige „Dubliner“ der ersten Generation wird fortan, wie seine Kollegen, kurze Statements zu den Gruppenmitgliedern und zur 33jährigen Bandgeschichte abgeben. Diese knappen Interviewszenen werden zu Inseln in einer Flut ähnlicher Bilder, die die Band bei den immergleichen Verrichtungen zeigen.

Burgers Video ist die erste längere Filmarbeit über die irischen Ur-Folker. Man lobt sich gegenseitig über den grünen Klee und nur in den Nebensätzen werden die Knackpunkte der jahrzehntelangen Männer- und Musikergemeinschaft spürbar. Daß Gründervater Ronnie Drew mit dem verstorbenen Ur-“Dubliner“ Luke KeIly politisch über Kreuz lag und daß Banjospieler Barney Mc Kenna, Drew einmal als „wilden Hund“ bezeichnet, der „plötzlich zubeißen“ kann, das sind ungewohnte Zwischentöne, die aufhorchen lassen in einem rundum positiven Gruppenbild.

Doch wer solch eine Geschichte mit sich herumschleppt, der hat mehr zu erzählen als eindimensionale Familienharmonie.

Da gibt es Geschichten zu erzählen, wie die vom Banjospieler und Fischer Barney McKenna, der zum ersten Mal das Tenorbanjo in den Irish Folk einführte und dessen langsame Redeweise sich umgekehrt proportional zu seiner un- glaublichen Geschwindigkeit auf dem Instrument verhält. Oder die Story wie Eamonn Campbell, das jüngste Bandmitglied, der vom Blues bessesen war und irische Musik eigentlich „Scheiße“ (deutsch) fand, während einer Jam- Session mit der Band zum Freund und „Dubliner“ wurde.

Für solche „oral history“ sollte Willie Burger sich einmal die Zeit nehmen und die wirklich verborgenen Schätze in der Bandgeschichte der „Dubliners“ ausgraben. Das Ganze auf Zelluloid und mit viel Zeit und Muße fürs Detail könnte auch für die Kinoleinwand taugen und nicht bloß für die heimische Videosammlung.

Gunter Becker

Premiere ist am 1.9. um 20.30 im Kino 46, Waller Heerstr. 46, mit anschließender Musiksession. Weitere Vorstellungen am 1.9., 2.9. und 3.9., jeweils um 22.30.

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