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■ BundesligaVerlorene Fäden

Stuttgart (taz) – Nein, weiß Gott, der moderne Profikicker hat's nicht leicht. Allemal, wenn er schon wieder ein Freiburger Verlierer ist. Nach dem Spiel ist vor dem Spiel, hat dereinst der Übervater unter den Fußballweisen den Vertretern der Ballzunft ins Stammbuch geschrieben. Aber was wußte Sepp Herberger denn schon vom Fußballkunstwerk in Zeiten seiner multimedialen Reproduzierbarkeit. Was, bitteschön, ist heutzutage noch ein riskantes Solo übers grüne Geviert gegen den Nachspielslalom von der Kabinentür zum Mannschaftsbus. In Stuttgart vor allem: Wo die nach dem Waschgang zu bewältigende Distanz mindestens der Weglänge von der Mittellinie aufs Tor entspricht. Und nicht jeder ist mit der Erfahrung von Freiburgs Kapitän Spies ausgestattet, der weiß, daß die Last der mit dem Zeugwart geschleppten Kiste erträglicher sein kann („Sie sehen ja, ich kann grad nicht“) als verzweifelte Verbaldribblings durch dicht gestaffelte Reporterfragen.

1:3 im baden-württembergischen Derby, die bisherige Bilanz damit: drei Spiele, null Punkte – da wollen die Reporter von Freiburgs Kickern vor allem eins wissen: Warum, wo doch letztes Jahr alles so prima war? Manndecker Martin Spanring, der nach seiner Länderspielberufung in Stuttgart erneut mit einer starken Leistung aufwartete, wußte auch auf dem Kabinenflur fast herbergerisch zu überzeugen: „Im Moment fällt es uns schwer, Tore zu schießen. Wenn wir das mal wieder schaffen sollten, dann geht es auch wieder bergauf.“ Nicht ganz so ausgeprägt in der philosophischen Tiefenschärfe, dafür aber mit Vorteilen im analytischen Bereich geriet das Statement von Maximilian Heidenreich: „Wir hatten zu wenig Chancen, früher haben wir mehr Chancen herausgespielt – das ist derzeit unser größtes Manko.“

Der für gewöhnlich eher maulfaule Thomas Berthold trat derweil im Überschwang des ersten schwäbischen Jubeltages im neuen Ligajahr nachhaltig den Beweis an, daß Siege ungleich einfacher zu deuten sind als Niederlagen: „Immer wenn die Freiburger nach vorne gespielt haben, haben wir hinten zugemacht – das war spielentscheidend.“ Andere Beobachter hatten die große Leistung von Krassimir Balakow, dem Nachfolger von Carlos Dunga im Schwabenhemd, noch höher gewertet als den Bertholdschen Abwehrriegel. Mit einem blitzsauberen Freistoßtor aus 20 Metern hatte Balakow selbst das 2:0 erzielt und damit das Ausrufezeichen hinter den furiosen schwäbischen Auftakt gesetzt, der durch ausgeprägte südbadische Verschlafenheiten nicht unerheblich begünstigt wurde. Als Freiburgs Sundermann dann aber den Anschluß köpfelte, ging dem Stuttgarter Sturm und Drang spürbar die Puste aus, und auch Trainer Fringer bekannte anschließend: „Da haben wir den Faden verloren.“ Zum Glück für die schwäbischen Faden-Verlierer versuchte die Freiburger Suchmannschaft auch am dritten Spieltag vergeblich, den ihren aufzuspüren.

Kapitän Spies, von der nimmermüden Reporterschar am Bus doch noch erwischt, entließ die Neugierigen mit einem Rätsel: „Woran liegt's, wollt ihr jetzt wieder wissen. Aber ist es nicht euer Job, das rauszufinden? Ich weiß es, aber ich sag's nicht.“ Sprach's und verschwand mit schnippischem Grinsen. Noch ist Hoffnung im Südwesten.Ulrich Fuchs

Tore: 1:0 Elber (11.), 2:0 Balakow (21.), 2:1 Sundermann (29.); 3:1 Elber (74.)

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