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Des Teufels General

Mit einem umstrittenen „General im Widerstand“ als Namenspatron feiert das „Erich Hoepner Gymnasium“ in Charlottenburg sein Jubiläum. Seit der Namensgebung 1956 schwelt vor Ort ein Streit  ■ Von Adrian Prechtel

„Wir feiern dieses Jahr den fünfzigjährigen demokratischen Neubeginn unserer Oberschule“, erklärt der Direktor des Charlottenburger „Erich Hoepner Gymnasiums“, Karlheinz Arlt: „Unbelastet von der Vergangenheit“, wie er nachschiebt. Als Schulleiter Arlt bei seiner Eröffnungsrede nur kurz auf die „Ambivalenz“ des Namensgebers der Schule – General Hoepner, Mann des Widerstandes und treuer Vasall in Hitlers Vernichtungskrieg – eingeht, wird auch die geladene Bezirksbürgermeisterin Monika Wissel (SPD) unruhig. Denn ihr Redemanuskript enthält nur unkritische Worte über den „Generaloberst an der Ostfront“. Hoepner, so Wissel, sei ein Mann gewesen, der den „Mut hatte, Mensch zu sein, als die Stunde der Unmenschen nicht aufzuhören schien“.

Gerade eine solche Aussage hält Peter Messinger für verklärend. Messinger war selbst Lehrer für Filmgestaltung am Erich Hoepner Gymnasium und hat einen Dokumentarfilm über den General gedreht. „Ich habe Papiere bei der Tochter eingesehen: Was Hoepner über die Judenpogrome im Osten schreibt und über die Liquidierung von kommunistischen russischen Kriegsgefangenen, ist ganz schlimm.“ Für Messinger war Hoepner nach der dünnen Quellenlage nicht einmal wirklich im Widerstand, sondern hoffte nur, nach einem erfolgreichen Putsch in einer neuen Militärdiktatur wieder zu Amt und Würden zu kommen. Hitler hatte Hoepner wegen Befehlsverweigerung 1942 abgesetzt, „wobei Adolf aber an Hoepner telegraphiert hat und von einer eventuellen Wiederverwendung schrieb“, wie Messinger weiß.

Nicht erst seit dem Jubiläumsjahr 1995 – in dem keine Veranstaltung sich mit dem General befaßt – holt die Schule die Vergangenheit wieder ein: Seit der Umbenennung des Charlottenburger Gymnasiums in „Erich Hoepner Oberschule“ im Jahre 1956 schwelt vor Ort ein Streit: Darf ein Gymnasium mit musischer und humanistischer Ausrichtung nach einem General des Zweiten Weltkriegs benannt sein, der „wie viele andere Männer des Widerstandes des 20. Juli sicherlich kein Demokrat gewesen ist“, wie der Geschichtslehrer Manfred Sollich anmerkt?

An den Ablauf der Umbenennung im Jahre 1956 erinnert man sich in Charlottenburg nicht gern: Der damalige Rektor, Klaus Rudolphi, selbst ein „Opfer des Faschismus“, der mit einer jüdischen Frau verheiratet war, erfuhr im Urlaub Anfang August von der geplanten Umbenennung zum 70. Geburtstag am 14. September 1956. Rudolphi lehnte brieflich eine Umbenennung in Erich Hoepner Gymnasium „aus pädagogischen Gründen“ ab und schlug weniger zweifelhafte Männer im Widerstand als Namenspatron vor.

Damals wie heute regt sich auch in der Schüler- und Elternschaft Widerstand gegen Erich Hoepner als Namensgeber der Schule. Obwohl sich Lehrer- und Elternversammlung einstimmig gegen eine Umbenennung aussprechen, wird zum 70. Geburtstag Hoepners am 14. September die Umbenennung im Hauruckverfahren durchgezogen. Der eigene Rektor Rudolphi wird von den Feierlichkeiten ausgeschlossen. Ein Geschichtsleherer, der Hoepner noch aus eigener Soldatenzeit kennt und ihn mit dem Durchhaltegeneral Schörner auf eine Stufe stellt, wird zwangsversetzt.

Als Historiker zweifelt Sollich etwas an den ehrenhaften Motiven der Eltern und Lehrer, die 1956 die Umbenennung verhindern wollten: „In den fünfziger Jahren waren die Männer des 20. Juli für große Teile der Bevölkerung noch ,Verräter‘. Da war der Umbenennungswille des SPD-geführten Bezirks geradezu fortschrittlich.“ Trotzdem bleibt auch für Sollich ein General als Namensgeber einer Schule „zweifelhaft“.

Ruhe ist seit 1956 in der Frage der Namensgebung nicht mehr eingekehrt. Immer wieder werden Vorschläge gemacht, die Schule noch einmal umzubenennen. Aber auch unter den Schülern ist ein solcher Schritt umstritten. Tipje Behrens ist im Leistungskurs Kunst der Oberstufe und erinnert sich, daß alle paar Jahre Schüler Vorschläge gemacht hätten: Mendelssohn Bartholdy und Emil Nolde waren im Gespräch. „Aber das ging nicht, weil immer nur ein Teil unserer Oberschule repräsentiert gewesen wäre. Und dann gibt es auch noch den humanistischen Zweig, der sicher eher für Theodor Mommsen als Namensgeber wäre.“ Als größtes Problem sieht die ehemalige Schülersprecherin, daß eine Umbenennung den guten Ruf der Schule in Kunstkreisen gefährden würde: „Wenn man bei Bewerbungen oder Galeristen sagt, man kommt von der Hoepner-Schule, dann wissen die, daß man etwas kann.“ Der Ruf reiche sogar bis Amerika.

Das sieht Direktor Arlt ebenso: Unsere Schule unterstützt ihre Schüler auch über das Abitur hinaus. „Wenn sich jemand zum Beispiel bei der Hochschule für darstellende Kunst bewirbt, stellen wir mit ihm die Bewerbungsmappe zusammen.“ Letztes Jahr wurden alle Bewerber vom Erich Hoepner Gymnasium auf Anhieb angenommen. „Der Name ,Erich Hoepner Gymnasium‘ ist ein Markenzeichen wie Persil, das ändert man nicht leichtfertig.“ In diesem Jubiläumsjahr sollten vor allem die Leistungen der Schule in der Gegenwart präsentiert werden, meint Arlt. Eine „Antike Revue“, viele Konzerte und eine Werkschau von ehemaligen Schülern stehen auf dem Programm.

In der zunehmenden historischen Distanz zu Hoepner sieht Schulleiter Arlt eine Chance: „Gerade weil Hoepner umstritten ist, setzen wir uns immer wieder mit der Problematik des Dritten Reiches und des Widerstandes auseinander. Das ist doch sicherlich wünschenswert.“ Und als Nebenaspekt gegen eine erneute Umbenennung meint Sollich: „Wenn wir den Namen eines Mannes vom 20. Juli aus dem Schulnamen streichen, dann ist das doch wieder Wasser auf die Mühlen der neuen Rechten!“

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