Mehrsprachig hinter schwedischen Gardinen

■ Justizverwaltung bemüht sich, Deutsche ausländischer Herkunft als zukünftige Knastbeamte zu engagieren

Nach der Polizei, die sich – mit mäßigem Erfolg – seit Jahren verstärkt um die Aufnahme Deutscher ausländischer Herkunft in ihre Reihen bemüht, will jetzt auch die Justiz ihren Dienst für frühere Ausländer öffnen. Der derzeitige Anteil von nur sechs Ausländern mit deutschem Paß bei insgesamt 1.755 Beschäftigten im allgemeinen Vollzugsdienst soll erhöht werden. Denn von den über 4.000 Gefangenen in Berliner Gefängnissen sind 33 Prozent, knapp 1.400, ausländische Insassen aus fast 70 verschiedenen Staaten.

Justizsprecherin Uta Fölster gibt „das Überwinden von Sprachbarrieren“ und „ein besseres Verständnis für die verschiedenen Mentalitäten“ als Hauptgründe für den Vorstoß an. Nach ersten Anzeigen in deutschen Tageszeitungen im letzten Jahr wurde in der vergangenen Woche erstmals mit einer deutschsprachigen Anzeige in der türkischen Tageszeitung Hürriyet geworben. Im Vergleich zu den anderen Anzeigen wurde hier ausdrücklich auf den Deutschtest hingewiesen. Denn viele Interessenten, so Fölster, beherrschten die deutsche Sprache nicht in Wort und Schrift. Weitere Voraussetzung ist der Besitz der deutschen Staatsangehörigkeit. Ansonsten gelten die gleichen Kriterien wie für deutsche Bewerber.

Der ausländische Insassenvertreter der Teilanstalt V der Justizvollzugsanstalt in Tegel, Murat Aksoy, beklagte gegenüber der taz die „Diskriminierung“ ausländischer Gefangener, die der deutschen Sprache nicht mächtig sind: „Wer sich nicht artikulieren kann, dem wird auf den Deckel gehauen.“ Den Vorschlag des kulturpolitischen Sprechers der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Albert Eckert, Sprachunterricht für deutsche Strafvollzugsbedienstete einzuführen, lehnt er jedoch wegen der Vielzahl der Sprachen und der Mentalitätsunterschiede ab. Eckert findet zwar den Vorstoß der Justiz „ganz wunderbar“. Doch seiner Meinung nach schließt das eine das andere nicht.

Günter Kranz von der Abteilung Strafvollzug konnte zwar eine „Vielzahl von Reaktionen“ auf die Hürriyet-Anzeige registrieren. Doch viele Interessenten wollten nur stundenweise als Dolmetscher arbeiten. Ganze zwei Bewerber seien übriggeblieben. Enttäuscht ist Kranz nicht: „Ich habe nicht damit gerechnet, daß sich groß was in Bewegung setzt.“ Trotzdem hofft Kranz, für die bis Ende nächsten Jahres zu besetzenden 170 Stellen im allgemeinen Vollzugsdienst „so viele Deutsche ausländischer Herkunft wie möglich“ zu finden.

Bei der Polizei wurden seit 1989 nur 77 „ausländische Berliner“ eingestellt. Die meisten sind türkischer, jugoslawischer und russischer Herkunft und bei der Schutz- und Kriminalpolizei beschäftigt, so ein Pressesprecher. Im Vergleich zu den insgesamt 32.000 Beschäftigten bei der Polizei machen sie nur 0,24 Prozent aus. In diesem Jahr, so der Sprecher weiter, haben neun Türken, sechs Bewerber aus dem ehemaligen Jugowlawien und ein Staatenloser ihre Ausbildung begonnen. Barbara Bollwahn