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Revolutionärer Start mit Pannen

Seit gestern wird Bill Gates' „Windows 95“ auch in Deutschland verkauft. Am ersten Tag war das Interesse der KundInnen jedoch eher mäßig. Internet-User sind zunehmend genervt  ■ Aus Berlin Niklaus Hablützel

Bill Gates reist seit letzter Woche persönlich um die Welt, um seinen Verkäufern die Vorzüge seines neuen Systems für Heimcomputer zu erklären. Die Nachhilfe aus Redmond ist durchaus nötig. Seit gestern ist „Windows 95“ auch in Deutschland erhältlich. Etliche Fernsehteams hatten sich Drehgenehmigungen in den Vobis-Computerläden geben lassen. Der erwartete Ansturm blieb jedoch aus. Lediglich in München sind ein paar einsame Kunden beobachtet worden, die schon am frühen Morgen vor der Tür eines Geschäftes warteten. Die Zentrale der Vobis-Kette konnte nur „Business as usual“ feststellen.

Sechs Millionen Kopien des neuen Betriebssystems hofft Microsoft allein in Deutschland abzusetzen. Ganze Pulks von Fotografen und Reportern empfangen den Microsoft-Boss auf seiner Tournee jeweils schon am Flughafen. Vor allem in den Medien Osteuropas hat Gates inzwischen den Status einer Kultfigur für den amerikanischen Lebensstil schlechthin erreicht.

Die Revolution scheint allerdings ihre Tücken zu haben. Im weltweiten Datennetz Internet häufen sich die Klagen. „Das Ding hat sich schon bei der Analyse meines Rechners aufgehängt“, beginnt einer dieser Erlebnisberichte. Als die Installation schließlich doch gelungen war, funktionierte der Internet-Anschluß beim User „41io71$qo§shore.shore.net“ nicht mehr – ausgerechnet das Tor zur Neuen Medienwelt also blieb ihm verschlossen.

Zum Glück, heißt es in einer Antwort aus Island, „hat bei mir das Deinstallationsprogramm leidlich funktioniert“. User „tardetec§199.60.19205“ warnt am 27. August unter Mißachtung aller Anstandsregeln im Datennetz: „Windows 95 ist Scheiße.“

Soweit kamen andere Kunden gar nicht. Nach einem Bericht des Wall Street Journal sind bei manchen Installationsversuchen Warnungen vor Computerviren aufgetreten. Die Störprogramme tragen so reizvolle Namen wie „Ripper“ oder „Stoned“. Microsoft gibt zu, daß etwa fünf Prozent der bisherigen Käufer in solche Schwierigkeiten geraten könnten, und rät, vor dem Einlesen der Windows-Disketten erst einmal ein Virenschutzprogramm zu laden.

Bill Gates' deutsche Pannenhilfe in München empfiehlt jedoch eher das Gegenteil. Wer Windows 95 erstanden hat, muß in den tiefsten Keller seiner Rechenmaschine hinabsteigen, um dort einen sehr speziellen Schalter umzulegen. Die Virenwarnung nämlich, erläutert der Techniker der Microsoft-Hotline, entstehe durch den Virenschutz, der bei manchen Geräten im BIOS eingebaut sei. Dieses Basissystem müsse über das Setup beim Booten angesteuert werden. Dann sei nur die entsprechende Option auf „disabled“ zu stellen, nach der Installation könne sie „selbstverständlich“ wieder eingeschaltet werden: „Problemlos zu bedienen“, wie die Microsoft-Werbung verspricht, sei nur die Anwendungssoftware ...

Wenn sie denn unter Windows 95 läuft. Für ungefähr zweihundert ältere Programme trifft das nach Recherchen der Computerzeitschrift PC-Magazin jedoch nicht zu.

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