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Dünnschiß und alte Tricks

■ Wie Frankreich während seiner Atomtests vor zehn Jahren auf einer Karibikinsel Greenpeace in die Pfanne hauen wollte

Berlin (taz) – Nicht erst seit diesem Sommer bekriegen sich Greenpeace und der französische Staat. Bekannt ist die Versenkung der „Rainbow Warrior“ in Neuseeland durch französische Agenten im Juli 1985. Erst jetzt brachte Le Monde den Versuch Frankreichs ans Tageslicht, auch das Nachfolgeschiff zu behindern.

Das phantasievollerweise „Greenpeace“ getaufte Greenpeace-Schiff lag im September 1985 vor der niederländischen Karibikinsel Curaçao bei Venezuela, wo es sich auf die Fahrt in den Pazifik vorbereitete. Der französische Geheimdienstvertreter in Venezuela erhielt aus Paris den Befehl, die „Greenpeace“ „mit allen Mitteln“ in Cuaraçao festzuhalten. So fuhr er auf die Insel und traf dort eine alteinsässige Französin mit hervorragenden Beziehungen.

Gemeinsam heckten die beiden einen Plan aus: Die Ortsansässige würde ihre Freunde in der Administration dazu bewegen, neue sanitäre Regeln zu erlassen, die Greenpeace zu neuen Schutzimpfungen verpflichten würden. Geimpft werden sollte ihnen dann ein Horrorcocktail aus Gelbfieber- und Durchfallerregern, der sie zumindest für die Dauer der Atomtests reiseunfähig machen würde.

Die Vorgesetzten in Paris fanden das zu plump. Ihnen fiel statt dessen ein, daß die „Greenpeace“ auch ein Fernsehteam mitnehmen sollte und daß modernste Kommunikationsgeräte per Seefracht schon unterwegs waren. So brachten sie mit viel Whisky den Zoll von Curaçao dazu, die eingetroffene Kommunikationstechnik zwecks „Zollinspektion“ ein Weilchen zurückzuhalten. Die Inspektion bestand darin, daß der französische Agent vor Ort alle technischen Angaben anschaute und nach Paris schickte. Und als die „Greenpeace“ ahnungslos durch den Pazifik tuckerte, konnte Frankreich seelenruhig die Störung aller Frequenzen vorbereiten, auf denen die Umweltschützer mit der Welt kommunizieren wollten.

Es klappte: „Greenpeace“ konnte fahren, das Fernsehteam konnte nicht senden, und Frankreich konnte testen. Und wenn nicht ein Geheimdienstler in Paris diese Geschichte einem Journalisten erzählt hätte, wäre sie noch immer ein Geheimnis. D. J.

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