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Politische Karriere „nicht kaputtmachen“

■ Rolle des Staatsanwaltes von Bock im Ermittlungsfall Pflugradt umstritten

Die Affäre um den stellvertretenden CDU-Fraktionsvorsitzenden Helmut Pflugradt, in dessen Haus im November des vergangenen Jahres der 22jähriger Friseur Andre W. sexuell genötigt worden sein soll, nimmt kein Ende. Pflugradt, dessen Haus in der vergangenen Woche anhand von Fotos als Tatort identifiziert worden ist, trägt selbst wenig zur Aufklärung bei: Als er am Dienstag auf der Sitzung des geschäftsführenden Landesvorstandes von der CDU-Spitze bedrängt wurde, endlich auszupacken, schwieg er beharrlich.

Fraktionschef Ronald-Mike Neumeyer verlangt nun dringend Aufklärung vom Staatsanwalt. Doch das trifft den lange Monate zuständigen Oberstaatsanwalt Georg von Bock und Pollach, der inzwischen zum Staatsrat von Innensenator Ralf Borttscheller (CDU) aufgestiegen ist. Ihm wird vorgeworfen, er habe die Ermittlungen verschleppt, um es sich mit den Christdemokraten – die ihn schließlich zum Staatsrat gekürt haben – nicht zu verderben: „Das ist Quatsch“, wehrt sich von Bock. „Ich konnte doch gar nicht wissen, wie die Wahlen ausgehen würden.“

„Es gibt keine Verschleppung“, beteuert auch Jan Frischmuth, Leiter der Staatsanwaltschaft. Er hat den Ermittlungshergang überprüft. Danach stellt sich der Ablauf folgendermaßen dar: Spätestens am 9. Februar lag die Akte auf dem Schreibtisch von von Bock. Einen genauen Eingangsstempel hat die Akte nicht. Von Bock versucht das mutmaßliche Opfer „unverzüglich“ telefonisch zu erreichen. Der Lebensgefährte von Andre W. sagt dem Staatsanwalt, der Mann sei bis April in einer psychiatrischen Klinik. Mit der Klinik setzt sich von Bock nicht in Verbindung. Warum verzichtet er auf die Möglichkeit, mit den Ärzten die Vernehmungsfähigkeit des Patienten zu klären? „Das wären unnütze Ermittlungen gewesen“, findet Frischmuth. „Einen gewissen Ermessensspielraum müssen Sie dem Staatsanwalt schon zugestehen. Ich halte das für vertretbar. Das heißt zwar nicht, daß alles richtig gelaufen ist, aber vertretbar ist das.“

Von Bock machte damals einen erstaunlichen Aktenvermerk: Pflugrath käme aufgrund der Personenbeschreibung durch Andre W. nicht als mutmaßlicher Täter in Frage. Beim Tatort ist der Oberstaatsanwalt stellt der Staatsanwalt fest, die Aussagen des Andre W. seien zu ungenau gewesen, um auf dieser Grundlage einen Durchsuchungsbeschluß für den möglichen Tatort, Pflugraths Haus , zu beantragen. Begründung des Staatsanwaltes: „Ich wollte erst mit ihm sprechen.“ Ganz ungenau ist die Tatortbeschreibung allerdings nicht: Bremen-Nord, Villa mit Swimmingpool, direkter Durchgang von der Garage ins Haus.

Als Monate später wegen dieser Entscheidung kritisiert wurde, fügte von Bock hinzu, daß er im Falle eines Durchsuchungsbeschlusses „böse beschimpft worden, mit dem Argument“ er „hätte damit die Bürgerschaftswahl beeinflussen wollen“. Das brachte ihm die Kritik von Justiz-Kollegen ein: Ernst von Schönfeldt, Richter am Amtsgericht, forderte „die unverzügliche Einleitung eines Disziplinarverfahrens“ gegen von Bock wegen „Mißbrauchs der Dritten Gewalt“. „Dafür gibt es keinen Anlaß“, findet der Leiter der Staatsanwaltschaft, Frischmuth.

Bock verteidigt sich vehement gegen den Vorwurf, er habe politische Überlegungen seinerzeit mit einbezogen. „Ich bin damals mißverstanden worden“, sagte er gestern zur taz. „Ich habe nur gesagt, was wäre wohl gewesen wenn... Dann hätten mich doch alle für einen wildgewordenen Staatsanwalt gehalten, der Einfluß auf die Wahl nehmen will.“ Bei der Frage nach einem Durchsuchungsbeschluß hätten diese Erwägungen hätten jedoch keine Rolle gespielt, betont von Bock. „Ein Staatsanwalt darf überhaupt nicht über so etwas nachdenken“, argumentiert hingegen Schönfeldt. „Er erweckt sonst zwangsläufig den Verdacht, befangen und parteilich zu sein.“

Warum das Ermittlungsverfahren nicht weiterkam? „Ich habe den Mann einfach nur nicht erreicht. Das ist alles“, betont von Bock. Seit Mai habe er immer wieder vergeblich versucht, das mutmaßliche Opfer zu erreichen. „Eine Woche vor meiner Berufung hat er sich dann gemeldet“, erinnert sich der ehemalige Oberstaatsanwalt.

Inzwischen hat das mutmaßliche Opfer den Tatort anhand von Fotos identifiziert. Dem Mann sind jedoch nur Fotos von Pflugraths Haus vorgelegt worden. Er mußte den Tatort nicht anhand von Fotos mehrerer Häuser identifizieren. Kein Problem, findet Generalstaatsanwalt Dr. Hans Janknecht. Die sogenannte Wahlgegenüberstellung gebe es nur bei Personen, nicht aber bei Tatorten. Daß die Beweiskraft der Fotos aufgrund dessen vor Gericht allerdings an Gewicht verliert, räumt selbst Frischmuth ein.

Janknecht ist inzwischen übrigens angewiesen worden, nichts mehr zu sagen. Schon einmal hat er sich die Schelte des Justizressorts zugezogen. Warum das Ressort nicht von Anfang an über den Fall unterrichtet worden sei, wollte Staatsrat Michael Göbel im Juni wissen. Kein öffentliches Interesse, antwortete Janknecht.

Von Bocks zögerliche Ermittlungsmethoden gegenüber der CDU nahestehenden Personen wurden schon früher kritisiert: Als er vor einigen Jahren die Anzeige erhielt, ein Bremerhaver CDU Politiker habe eine Privatreise beim Finanzamt als Geschäftsreise deklariert, schmetterte er die Anzeige ab. „Die Anzeige war in sich nicht schlüssig“, erklärt von Bock dazu. In dem Text sei von einem Stadtverordneten die Rede gewesen, der versucht haben soll, sich eine Privatreise von der Stadt Bremerhaven erstatten zu lassen. Der Politiker sei jedoch Landtagsabgeordneter und hätte deshalb mit der Stadt nichts zu tun, argumentiert von Bock. „Dem Denunziantentum wird sonst Tor und Tür geöffnet. Ich gebe meine Hand nicht dafür her, politische Karrieren kaputt zu machen.“ kes

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