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Hamburgs Vermögen schon bald im Sommerschlußverkauf

■ Wem will der Finanzsenator 1996 an den finanziellen Kragen? Ab Montag Haushaltsberatungen im Senat

Der Countdown läuft ab Montag: Da wird der Senat mit vereinten Kräften an der viel zu kurzen Finanzdecke für 1996 zerren und mit Entsetzen auf das Haushaltsloch von einer Milliarde Mark starren. Mittendrin steht, mahnend „nicht mehr als 3 Prozent Zuwachs“ rufend, Finanzsenator Ortwin Runde, der in Zeiten schwindsüchtiger Staatskassen zu den unbeliebtesten Männern Hamburgs zählt.

„Die Haushaltslage ist so verzweifelt, daß es keine Schonbereiche geben wird“, bestätigt Stadt-Kassenwart Runde offenherzig schlimmste Befürchtungen. Nur „Prioritätsbereiche“ werde es geben: Armutsbekämpfung und Drogenhilfe zum Beispiel. „Das bedeutet aber nicht, daß die Standards unangetastet bleiben können.“

Der Drogenhilfe wird es mit „marktwirtschaftlichen Prinzipien“ und „Qualitätssicherung“ an den finanziellen Kragen gehen. Aber auch der „zweite Arbeitsmarkt“, staatliche und nicht-staatliche Beschäftigungsgesellschaften, wird derzeit einer „Effizienzprüfung“ unterzogen – die fetten ABM-Jahre sind vorbei.

Mit Sparen allein kommt Rechenkünstler Runde allerdings nicht auf seine Kosten, sondern springt nur mit beiden Füßen in alle verfügbaren sozialpolitischen Fettnäpfe. Das zweite Standbein seines „Konsolidierungskonzeptes“ soll daher weniger weh tun und heißt: Verkaufen, was die städtische Schatztruhe hergibt.

Neben etlichen Wohnhäusern und Villen ohne „mietpolitische Sensibilität“, die Runde unter dem Protestgeschrei der GAL verkaufen will, wird 1996 vor allem ein städtisches Sahnestück die Hauptrolle spielen: die Hamburger Electricitätswerke (HEW).

Zwar wird noch eifrig dementiert, doch die Vorbereitungen für den Verkauf der HEW laufen nach Ansicht der meisten Szenekenner auf Hochtouren. „Ich guck mir an, was wir alles an Schönheiten haben“, orakelt derweil Senator Runde: „Eine Trennung fällt immer schwer.“ An der HEW hänge er „schon allein historisch“.

„Mit dem HEW-Verkauf würde Hamburg jede Möglichkeit einer eigenständigen Energiepolitik verspielen“, schrillen bei GAL-Chef Willfried Maier alle Alarmglocken. Viel lieber würde er – wohl nicht zur Freude der öffentlichen Bediensteten – den Verwaltungsapparat entschlacken, um „beim Wasserkopf statt bei den Händen“ anzusetzen.

Die CDU nörgelt hingegen nur müde am HEW-Verkauf herum, wird aber beim Thema Gewerbesteuern ebenso allergisch wie der schwächelnde Regierungspartner Statt Partei. „Man kommt um die Erhöhung einer ertragreichen Kommunalsteuer nicht herum“, gibt sich Runde vorsichtig, weil jeder seinen Beitrag zur Haushaltsrettung beitragen müsse. „Die Wirtschaft wurde durch die Senkung der Körperschaftssteuer von seiten des Bundes bereits erheblich entlastet“, drückt sich GALier Maier weniger zimperlich aus.

Da die Steuereinnahmen aus dem Konjunkturaufschwung sich bestenfalls zeitlich verzögern, schlimmstenfalls einfach ausbleiben, wird man ohne die unbeliebten Steuererhöhungen über kurz oder lang ohnehin nicht auskommen. Ist der Bärenanteil des hanseatischen Tafelsilbers erst einmal verscherbelt, geht's ans Eingemachte. Runde: „Dann wird man an den Leistungen für die Bürger sparen müssen.“ Silke Mertins

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