: Parlament: Sag zum Abschied leise Avus
■ Abgeordnetenhaus: Keine Avus-Rennen und keine Flugschauen mehr. Verkehrsverwaltung: Interessiert uns nicht
Die Verkehrsverwaltung plant, einen Beschluß des Abgeordnetenhauses zur Zukunft der Avus zu mißachten. Das Parlament hatte den Senat in seiner Sitzung am Donnerstag abend aufgefordert, dort keine Motorsportveranstaltungen mehr zu genehmigen. Anlaß: Der Unfalltod des britischen Rennfahrers Keith Odor vor zwei Wochen. Einem entsprechenden Antrag der Bündnisgrünen, der außerdem auf die Lärm- und Umweltbelastung durch die Rennen verwies, stimmten überraschenderweise auch SPD, FDP und PDS zu. Die Verkehrsverwaltung aber interessiert das nicht.
Parlamentsbeschlüsse könnten „das Handeln der Verwaltung nicht ersetzen“, so Tomas Spahn, Sprecher von CDU-Verkehrssenator Herwig Haase. Die Verkehrsverwaltung, so Spahn, werde die Oberste Nationale Sportkommission für den Automobilsport um ein Gutachten bitten, ob die Avus als Rennstrecke weiter geeignet sei. Wenn das der Fall sei, werde die Behörde auch weiterhin „Sondernutzungen“, also Autorennen, genehmigen.
Auch der ADAC ging nach den Worten seines Sprechers Hans- Jürgen Fischer gestern davon aus, daß nach Vorlage dieses Gutachtens weiterhin Avus-Rennen stattfinden können. Den 75. Jahrestag der 1921 eröffneten Avus will der Autoclub im September 1996 mit großem Motorengeheul feiern. Auf Dauer aber wünscht sich der ADAC eine Strecke nahe Berlin „mit dem Sicherheitsstandard des Nürburgrings und dem Flair der Avus“.
Die SPD wolle bei der Suche behilflich sein, versichert eifrig ihr Fraktionschef Klaus Böger. Die Avus genüge den heutigen Sicherheitsstandards nicht mehr, ein Ausbau aber sei nicht finanzierbar, verteidigt er den Parlamentsbeschluß. Die CDU hingegen wünscht sich, in den Worten ihres verkehrspolitischen Sprechers Rainer B. Giesel, „daß der Beschluß keinen Bestand hat“.
Der sei bindend, auch für die nächste Regierung, kontert sein Amtskollege von den Bündnisgrünen, Michael Cramer. „Die erste Gewalt sind immer noch wir. Wenn der Senat meint, er kann den Beschluß nicht ausführen, dann soll er zurücktreten.“
Das wird er wohl nicht. Zwar warte man erstmal die Aufklärung der Unfallursache ab, so Senatssprecher Eduard Heußen, aber „es wäre höchst ungewöhnlich, wenn der Senat sich über das Parlament hinwegsetzen würde“.
Senator Haase wird das Wettrennen mit der Igelpartei also wohl verlieren. Auch wenn der Streit noch eine Weile weitertobt. Eine zweite motorenfeindliche Parlamentsentscheidung ist am Donnerstag abend aber einstimmig ergangen. Dieser von den Bündnisgrünen eingebrachte und von der SPD abgeänderte Beschluß fordert vom Senat, Flugschauen im innerstädtischen Bereich nicht mehr zu genehmigen. Das betrifft zwar nicht die Internationale Luftfahrtausstellung in Schönefeld, weil diese Brandenburg untersteht, aber Tegel und Tempelhof. Auf dem Flughafen Johannisthal, wo kürzlich der Astronaut Reinhard Furrer tödlich verunglückte, wird wegen Umbaus eh keine Flugschau mehr stattfinden. Ute Scheub
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